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■ QuerspalteHumor und Mimesis

Wenn das Wetter schöner ist, ist es bekanntlich besser. Alle sind mehr oder weniger gutgelaunt (daß sich im Frühling die Selbstmorde häufen, verschweigen wir mal, weil es nicht hierhin gehört), selbst Stubenhocker halten ihre Haut in die Sonne, damit auch die anderen was davon haben. Die Punker an den U-Bahnhöfen bitten gutgelaunt um „ein bißchen Kleingeld für LSD“ und man selber entschließt sich, was über den Humor der „Punker“ zu schreiben.

Ein Bekannter beispielsweise erzählt, er hätte früher, als er noch Punker war, häufig seinen Kopf in die U-Bahnwagen gesteckt und hätte dabei laut, entschlossen und deutlich „Penis“ gerufen. Um die Leute zu schockieren. Die waren dann auch sehr schockiert. Das Sexuelle funktioniert ja immer noch trotz aller anderslautenden Meinungen.

Vor kurzem traf ich in Oberschweineweide, einem Berliner Randbezirk, auf ein Punkerpärchen, das an einer Bushaltestelle herumhing. Beide nölten so ein bißchen vor sich hin, wie es Punker oft tun, mit Weinflaschen in der Hand. Irgendwann ging die Punkerin hinter einen Busch auf die andere Straßenseite, um zu pissen. Um die Gesellschaft zu beleidigen, verbarg sie sich kaum und trank auch weiter Wein. Fröhlich rief ihr ihr Kumpel ein gutgelauntes „Schlitzpisser“ hinterher. Mehrmals. Damit schien er mir auf charmante Weise auch die Feministinnen beleidigen zu wollen, die allerdings gar nicht da waren. Nur ein paar verhuschte Vorstadtbewohner schauten verstört.

Die bedachte der jugendliche Punker dann mit einem irgendwie kontrapunktischen „Ihr seid doch alle Tiere!“ Das beste war, daß auch ein gewöhnlicher Alki schwankend danebenstand. Begeistert äffte er den Punker nach: „Schlitzpisser, Schlitzpisser“ und „Ihr seid doch alles Tiiiieere!“

Solche Erlebnisse verschönern einem doch sehr den Tag, und wenn hier mehr Platz wäre, könnte man das sehr gut für eine Theorie über Humor und Mimesis verwenden. Detlef Kuhlbrodt

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