Kommentar: Nehmen und gehen
■ Dem Senat helfen Rückkehrprämien mehr als den bespendeten BosnierInnen
Wie das zerstörte Zuhause reparieren, wenn es in Bosnien kein Baumaterial gibt? Womit sich eine neue Existenz aufbauen, wenn man hier von Sozialhilfe lebt und es dort keine Arbeit gibt? Keine Frage: Materielle Hilfe, ganz gleich welcher Art, ist für alle, die zurückkehren wollen, sinnvoll und notwendig; die „Starthilfe für Bosnien“ein Schritt in die richtige Richtung.
Sie jedoch auf Freiwillige zu beschränken, ist ein kleinlicher und schäbiger Zug, der an Abstrafung für die denken läßt, die nicht sofort spuren und mit dem Koffer in der Hand zur Ausländerbehörde marschieren. Prinzip: Zuckerbrot und Peitsche.
Mit der „Hilfe zur Selbsthilfe“hilft der Senat vor allem auch sich selbst. Denn unter dem Deckmantel der Nächstenliebe soll eine möglichst große Zahl aus Hamburg verschwinden. Sozialkassen gelte es zu erleichtern und Platz für andere Flüchtlinge zu machen. Die zentrale Botschaft lautet, daß BosnierInnen bei uns unerwünscht sind.
Während Senat und Wirtschaft sich über den Klee loben ob des überfälligen Projekts, könnte eine solche Spendenaktion – ausschließlich für Rücckehrer – die Bedingungen für die Flüchtlinge in Bosnien verschlechtern. Ohnehin sind diejenigen, die den Krieg im Ausland überlebten, im Heimatland nicht wohlgelitten. Angesichts der Stimmungslage in Zeiten des extremen Mangels könnten Rücckehrer mit Maschinen und Baumaterial im Gepäck auf noch mehr Aversionen seitens der im Land zurückgebliebenen Habenichtse stoßen. Ein kooperatives Projekt für beide Bevölkerungsgruppen wäre hier sicher klüger gewesen. Silke Mertins
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