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Das PortraitSein Platz ist dazwischen

■ Eberhard Malitius

Wenn Castoren im Sixpack nach Gorleben durchgeboxt werden, dann kommt der Pfarrer Eberhard Malitius im Doppelpack: Gemeinsam mit seinem Kollegen Gerd Krumrey sucht er seinen Platz zwischen den Linien. Nicht nur die beiden, auch andere Pastoren im Landkreis Lüchow-Dannenberg haben es sich zur Aufgabe gemacht, während der Protestaktionen zwischen Demonstranten und Polizei zu vermitteln und auch dann nicht nachzulassen, wenn die Stimmung aufgeheizt ist.

Seit zwei Jahren macht Malitius das nun, nach jedem Castor-Transport ist er klüger. Gelassener nicht unbedingt. Denn eine Polizei, die nur noch durchgreift, frustriert ihn genauso wie ein Demonstrant, der mit der Zwille hantiert. Sein Metier ist das Dazwischen, sein Motto: Im Gespräch bleiben. Wenn auf der einen Seite die Visiere runtergeklappt und auf der anderen die Halstücher hochgezogen sind, kann auch er nur noch zugucken.

Drei Dinge braucht Malitius, wenn er zwischen Dannenberg und Gorleben auf die Piste geht: die Seligpreisung der Friedfertigen aus der Bergpredigt im Herzen, eine Bescheinigung der Polizei in der Hand, mit der er sich frei bewegen kann, und eine klare Strategie im Kopf, die jegliches Taktieren ausschließt. Denn Mißtrauen schlägt den Pfarrern an der Strecke von beiden Seiten entgegen: Die Polizei unterstellt ihnen, zu locker mit Straftätern umzugehen, Demonstranten meinen, die Pastoren ließen sich von der Ordnungsmacht instrumentalisieren.

Neutral ist Malitius nicht, er ist gegen Atomkraft und das Zwischenlager in Gorleben. Seine Gemeinde in Langendorf, durch die gestern die Castoren rollten, kommt damit klar. Vor gut 20 Jahren, als die PreussenElektra hinter der Kirche ein AKW bauen wollte, dachte Malitius noch an Arbeitsplätze und billigen Strom. Drei Jahre nur wollte er mit seiner Frau auf der Pfarrstelle bleiben, jetzt sind es 25 und noch gut fünf Jahre bis zu seiner Pensionierung. „Hier habe ich meine Furcht vor angeblichen Autoritäten verloren“, sagt der Pfarrer. Die Ehrfurcht vor der Schöpfung hat er sich bewahrt, und seine „Position im Rahmen des Widerstands gegen den Castor“ hat er gefunden.

aus: „Unruhiges Hinterland. Portraits aus dem Widerstand im Wendland“. Herausgeber: Kirsten Alers, Philip Banse und BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. 1997.

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