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USA: Der Preis des Jobwunders

Arbeitsmarktforscher warnen davor, dem US-amerikanischen Weg zu folgen. Denn damit einhergehen würde zunehmende Armut  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

In Europa soll man „nicht kritiklos dem amerikanischen Weg folgen und über rigorose Einkommenssenkungen bei den unteren Lohngruppen mehr Beschäftigung erzielen wollen.“ Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erteilt in seinem jüngsten Bericht all denen eine deutliche Absage, die das „Beschäftigungswunder USA“ in höchsten Tönen loben und am liebsten sofort auf deutsche Verhältnisse übertragen möchten. Zwar nehme die Beschäftigung in den USA tatsächlich zu. Doch werde dies mit „steigenden Lohndisparitäten, sozialer Ungleichheit und hoher Armut erkauft“, mahnt Arbeitsmarktforscher Heinz Werner.

Seit 1982 hat sich die Arbeitslosenquote in den USA von einstmals knapp zehn Prozent auf inzwischen 5,6 Prozent fast halbiert. Damit haben die USA heute eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten der westlichen Industrieländer. In Deutschland lief die Entwicklung entgegengesetzt. Aus knapp sechs Prozent 1982 wurden zuletzt im Januar 12,2 Prozent.

Der Abbau der Arbeitslosigkeit in den USA ging einher mit einem kontinuierlich hohen Zuwachs der Beschäftigung. Im Zeitraum von 1983 bis 1993 nahm die Zahl der Erwerbstätigen jeweils im Jahresdurchschnitt um 1,8 Prozent zu. Im Vergleich dazu lag die Zunahmerate für die Europäische Union im Schnitt bei 0,6 Prozent, in Deutschland bei 0,7 Prozent. Und während seit 1993 hierzulande die Beschäftigung zurückgeht, ist das Wachstum in den USA ungebremst.

Die neu entstandenen Arbeitsplätze im „Jobwunder“-Land beschränken sich dabei keineswegs nur auf den Niedriglohnbereich. Den größten Anteil am Beschäftigungszuwachs hatte die Sparte „sonstige Dienstleistungen“. In diesem Sektor mit Berufen aus dem Bildungs-, Rechts- und Gesundheitswesen sind auch die oberen Einkommensbezieher stark vertreten.

Ein vergleichsweise höheres Wirtschaftswachstum kann diese generelle Beschäftigungszunahme in den USA allerdings nicht ausgelöst haben. So unterschieden sich die Veränderungen beim realen Bruttoinlandsprodukt in Deutschland und den USA im gleichen Zeitraum nur minimal. „Im Gegensatz zu Deutschland zieht jedoch in den USA bereits ein relativ geringes Wirtschaftswachstum eine Zunahme der Erwerbstätigkeit nach sich“, betont IAB-Experte Werner.

Aus dem ihm vorliegenden Zahlenmaterial geht hervor, daß die rasante Zunahme der Beschäftigung in den USA weder auf eine Verringerung der Arbeitszeiten, noch auf mehr Teilzeitarbeit zurückzuführen sind. So ist die durchschnittliche jährliche Arbeitszeit mit rund 1.950 Stunden im Vergleich zu den EU-Ländern nach wie vor sehr hoch.

Wie kommt das Wunder dann zustande? Das Volkseinkommen ist in den USA auf mehr erwerbstätige Personen verteilt worden, lautet des Rätsels Lösung. Die Konsequenzen liegen auf der Hand. Die Löhne der amerikanischen Arbeiter liegen derzeit mit einem durchschnittlichen Stundenlohn von zwölf Dollar auf dem Niveau von 1965. Jahrelang ging es mit den Löhnen bergab. In den letzten zehn Jahren übertraf der Lohnzuwachs die Inflationsrate nur ganze zweimal.

Zudem öffnet sich die Schere der Löhne im unteren und oberen Bereich immer mehr. In den USA waren die Lohnunterschiede zwar schon immer sehr hoch, aber in den letzten Jahren haben sie sich noch verstärkt. Insbesondere die Löhne der unteren Einkommensbezieher fielen erheblich. Selbst wer einen Job hat, dem reicht es oft genug nicht mehr zum Leben.

Die Kehrseiten des amerikanischen „Jobwunders“ liegen damit für IAB-Forscher Werner auf der Hand. Hinzu kommt, daß auch bei den mittleren und besseren Jobs die Arbeitsbedingungen in den USA schlechter als in Europa sind. Der durchschnittliche Urlaub beträgt nur zwei Wochen, 40 Millionen Amerikaner sind nicht krankenversichert. Die steigenden Lohnunterschiede lassen soziale Ungleichheit und Armut wachsen. „Mangelnde Gesundheitsfürsorge, soziale Ausgrenzung, Ghettobildung und Kriminalität sind die unliebsamen Folgen“, lautet das Fazit der IAB-Studie.

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