: AsylbewerberInnen allein im Transitraum
■ Berlin und Brandenburg haben Zuschüsse zum Flughafensozialdienst gestrichen. Bislang einzige neutrale Stelle am Airport. Kommunen kümmern sich um Flüchtlinge
Der Sozialdienst am Flughafen Schönefeld ist seit Januar in seinen Möglichkeiten empfindlich beschnitten. Berlin und Brandenburg haben der einzigen neutralen Stelle, an die sich Asylsuchende wenden können, die Zuschüsse gestrichen. Nun sind Mitarbeiter der Ausländerbehörde aus dem Personalüberhang für die Sozialarbeit mit Flüchtlingen zuständig. Sie unterstehen dem Brandenburger Innenministerium – der Bock wurde zum Gärtner gemacht.
Die SozialarbeiterInnen sind nun im Transitraum kaum noch präsent. Der Transitraum ist jener Bereich, in dem Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten oder ohne gültige Papiere auf das sogenannte Flughafenverfahren warten. Der Sozialdienst kann wegen der Personalkürzungen eine Betreuung rund um die Uhr nicht mehr gewährleisten.
Mitte 1996 stellte zuerst Brandenburg die Unterstützung für den Sozialdienst ein. Dies sei keine Pflichtaufgabe des Landes, sondern der Kommune, begründete Thomas Wendt vom Sozialministerium in Potsdam. Berlin schloß sich dieser Begründung an. „Schließlich liegt Schönefeld in Brandenburg“, sagte die Pressesprecherin der Sozialverwaltung, Gabriele Lukas. „Wir haben den Sozialdienst nur im Sinne einer Anschubfinanzierung und in Erwartung der Länderehe Berlin- Brandenburg mitfinanziert.“ 90 Prozent der vom Sozialdienst geleisteten Arbeiten seien reine Sozialbetreuung von Fluggästen und Obdachlosen und damit Pflichtaufgaben der Kommune Schönefeld. Berlin ist nicht nur einer der Flughafenbetreiber. Es nutzt den Airport regelmäßig für Abschiebungen.
Bund und Länder, die den Flughafenausbau sowie den Standort Schönefeld durchgesetzt haben, ziehen sich aus den Sozialkosten zurück. Dafür sollen neben den Kirchen die umliegenden Gemeinden – und damit die größten Flughafengegner – zahlen. Der Landkreis Dahme-Spreewald bekennt sich zwar zum Flughafensozialdienst und läßt ihm 50.000 Mark jährlich zukommen. Aber die Dahme-Spreewälder wollen eine Beteiligung der anderen Gemeinden. Nicht jede Kommune habe einen Flughafen, sagte Amtsleiterin Silvia Enders. Es müsse daher einen Ausgleich geben.
Das Landkreisamt nutzt die Qualifikation der MitarbeiterInnen zur Betreuung auf dem Landweg eingereister Flüchtlinge. Wer am Autobahndreieck Schönefeld von Schleppern abgesetzt wurde, hilflos herumirrt und schließlich von der Polizei aufgegriffen wurde, kann sich in den Aufenthaltsräumen am Flughafen erst einmal ausschlafen und sich über Asylverfahren informieren. Dann wird er von einem Mitarbeiter zur Aufnahmestelle nach Eisenhüttenstadt gebracht. Für die normale Sozialbetreuung von Fluggästen fühlt sich laut Amtsdirektor Udo Haase aber weder der Landkreis Dahme- Spreewald noch die Gemeinde Schönefeld zuständig. Und Bundesgelder erhält der Flughafensozialdienst nur für die Betreuung ankommender Aussiedler. Ein- bis dreimal pro Woche begleiten die SozialpädagogInnen die Neuankömmlinge von der Paßabfertigung bis zum Reisebus, der in das Erstaufnahmeheim Dranse fährt. Sozialpädagogin Christina Saliger faßt beim Gepäcktransport mit an und beruhigt die oft hilflosen Menschen. Für ankommende Asylbewerber wird hingegen keine sozialpädagogische Betreuung bezahlt.
Wie mit den 6.000 Menschen umgegangen wird, die jährlich über Schönefeld abgeschoben werden, erfährt kaum jemand. Grund dafür ist nach Meinung des Brandenburger Flüchtlingsrates, daß der Bundesgrenzschutz in Schönefeld weitgehend unter sich ist. Bei neuankommenden Fluggästen, so Holger Zschoge vom Flüchtlingsrat, könne der Flughafensozialdienst erst ab der Paßabfertigung sehen, was wirklich mit den Menschen passiert. Marina Mai
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