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Die Männlichkeit der Frankfurter Schule

Gleichheit oder Differenz der Geschlechter? Andrea Maihofer schlägt in ihrer lesenswerten Habilitationsschrift „Geschlecht als Existenzweise“ in dieser alten feministischen Auseinandersetzung überzeugend einen dritten Weg ein  ■ Von Ute Behning

Die Kategorie „Geschlecht“ steht seit einer Dekade im Zentrum der bundesdeutschen feministischen Theoriedebatte. Das Erscheinen von Butlers Text „Gender Trouble“ (1990) löste eine kontroverse Diskussion aus, da er sowohl „Sex“ als auch „Gender“ als konstruiert zur Disposition stellt. Solchen dekonstruktivistischen Auflösungen der Kategorie „Geschlecht“ wird in der bundesdeutschen feministischen Diskussion oft eine Entkörperung von Subjekten vorgeworfen. In Anlehnung an diese Kritik entwickelt Andrea Maihofer in ihrer Habilitationsschrift „Geschlecht als Existenzweise“ einen „Entwurf einer kritischen Theorie des Geschlechts“. Sie versucht einen Mittelweg innerhalb der Gleichheits- und Differenzdebatte zu beschreiten: „Geschlecht“ („sex“ und „gender“) wird als diskursiv erzeugt angesehen, ohne die Geschlechter ihrer subjektiven körperlichen Existenzweisen zu entledigen.

Maihofer gliedert ihren Text in zwei Hauptteile. Der erste führt die LeserInnen an die derzeitigen Diskussionen in der Frauen- und Geschlechterforschung heran. Differenztheoretische wie auch gleichheitstheoretische Positionen werden dargestellt und auf ihre Wahrnehmungen von Geschlechtskörpern hin analysiert. Maihofer rekonstruiert historische sowie epistemologische Diskurse um Geschlechtskörper anhand der Arbeiten von Honegger, Laqueur, Duden, Butler, Hirschauer, Gildemeister und Wetterer. Es gelingt der Autorin, die bundesdeutsche Debatte um die Kategorie „biologisches Geschlecht“ in einer Historizität zu erfassen, die exzellent zu nennen ist und wohl vielen als Überblicksliteratur dienlich sein wird. Die Analyse der bearbeiteten Texte führt zu der Erkenntnis, daß „...ein Verständnis von ,Geschlecht‘ jenseits der das moderne westliche Denken kennzeichnenden Dichotomien zwischen Natur- Kultur, Körper-Geist, Materie-Bewußtsein zu entwickeln“ ist.

Maihofer wendet sich auch Butlers neueren Thesen in „Körper und Gewicht“ zu, sowie den Ergebnissen der Studie von Lindemann zu Leiberfahrungen von Transsexuellen. Dadurch gelangt sie zu einem Verständnis von „Geschlecht“, das sich als bewußte Gratwanderung zwischen den oben genannten Dualismen versteht und folgendermaßen formuliert ist: „,Geschlecht‘ ist nun eine komplexe Verbindung verschiedener historisch entstandener Denk- und Gefühlsweisen, Körperpraxen und -formen sowie gesellschaftlicher Verhältnisse und Institutionen, eben eine historisch bestimmte Art und Weise zu existieren.“ Diese Kategorie erfaßt „...nun sowohl das Imaginäre der Realität des Geschlechts als auch die spezifische ,Materialität und Realität‘ des Imaginären des Geschlechts [...], ohne daß Geschlecht nur das eine oder das andere bzw. beides dasselbe wäre“.

Es gelingt der Autorin, die strukturelle Binarität des modernen westlichen Denkens zu überwinden, indem sie „Geschlecht“ in Anlehnung an Foucault als hegemonialen Diskurs, wie auch in Anlehnung an Althusser als „materielle Existenzweise“ faßt. Maihofer geht damit davon aus, daß „soziale Geschlechter“ ihre eigenen körperlichen Realitäten schaffen. Das „biologische Geschlecht“ gilt als sozial hergestellt. Geschlechtskörper sind als gesellschaftlich-kulturell erzeugte reale Existenzweisen zu verstehen, die durch die jeweiligen kulturell dominanten und historisch hegemonialen Geschlechterdiskurse geprägt sind und wahrgenommen werden.

Im zweiten Teil wendet die Autorin ihre neugebildete Kategorie „Geschlecht“ an. Sie dekonstruiert anhand von ausgewählten Texten Horkheimers, Adornos, Foucaults und Gilligans Macht, Moral und Recht als Denk- und Gefühlsweisen, die von Männern für Männer geprägt wurden, als Begrifflichkeiten, die von „männlichen“ Körperpraxen und -formen bestimmt wurden. Sie weist nach, daß „weibliche“, historisch entstandene Denk- und Gefühlsweisen, Körperpraxen und -formen im hegemonialen Diskurs nicht repräsentiert werden. Maihofer schließt mit der Forderung nach einer nicht- hierarchischen Anerkennung der Geschlechterdifferenz. Sie plädiert für eine nicht-ontologische feministische Politik, die davon ausgeht, daß Geschlechter gemacht werden und auch als solche existieren.

Die faszinierende und brillante Neudefinition der Kategorie „Geschlecht“ in Maihofers erstem Teil verliert jedoch im zweiten Teil in ihrer Anwendung an Kraft, da der unbenommen schwierige Weg „zwischen Gleichheit und Differenz“ zugunsten der Geschlechterdifferenz verlassen wird. Doch gerade indem Maihofer der Geschlechterdifferenz letztlich den Vorzug gibt, verdeutlicht sie, wie notwendig der vorgeschlagene politische wie theoretische (Zwischen-)Schritt ist, wenn „wir“ einer ausschließlichen Orientierung von Individuen und Gesellschaft an „männlichen“ Denk- und Körperformen entgegenwirken wollen.

Maihofers Text zeichnet sich durch präzise Darstellungskraft, analytische Schärfe und Klarheit aus. Ein Beitrag zur Geschlechterforschung, der für TheoretikerInnen wie auch EmpirikerInnen außerordentlich empfehlens- und lesenswert ist, da er vielfältige Denkanstöße für die feministische Forschung anbietet.

Andrea Maihofer: „Geschlecht als Existenzweise. Macht, Moral, Recht und Geschlechterdifferenz“. Ulrike Helmer Verlag, Frankfurt/M. 1995, 208 S., 35 DM

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