: Mit der Polizei auf Whiskas-Tour
■ Wie ich mit zwei Beamten die Katze meiner Schwester fütterte
Samstag nachmittag, das Telefon klingelt. Am westdeutschen Ende der Leitung ist meine Exexex, ich nenne sie Schwester. Ob ich schon ihre Katze gefüttert habe, fragt sie. Scheiße, denke ich. Sie komme am Dienstag zurück nach Berlin, sagt sie. Ich freue mich, sage ich und lege auf.
Draußen lärmt der Prenzlauer Berger Frühling. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, ein weiteres Kapitel für mein Buch über Berlin, die gescheiterte Metropole, zu schreiben. Über Schönbohms Räumungswahn und Saberschinskys Polizeirazzien. Aber welchen Preis darf ein politisch korrektes Buch kosten? Auch den einer jämmerlich zugrundegegangenen Perserkatze?
Natürlich nicht, denke ich, werfe meinen velourblauen Jeansjackenfummel über und greife nach dem Schwester- und dem Autoschlüssel. Selbst in Schöneberg ist Frühling. Gut gelaunt parke ich in zweiter Reihe und nehme den Fahrstuhl. Doch dann – der Schlüssel paßt nicht. Statt dessen ein Zettel zwischen Tür und Angel: „Mehrfach nicht angetroffen“, „Schloß ausgewechselt“, „Schlüssel beim Polizeiabschnitt 41, Ihr Gerichtsvollzieher“. Hinter der Tür miaut die Katze. Hat sie nur Hunger? Oder ist es auch Angst?
Mir wird warm unter meinem Fummel. Statt über die Polizei zu schreiben, muß ich mich ihr stellen. Keine leichte Übung. Außer einem ungültigen Schlüssel habe ich nichts, was ich den Beamten vorweisen kann: keinen Ausweis, keinen Führerschein, keine Vollmacht. Bleibt also nur die freundliche Tour. (Schlagzeilen wie „Berliner Polizei läßt Katze verhungern. Ex-Freund hörte sie noch scharren“, konnte ich immer noch aus dem Ärmel schütteln.)
In der Gothaer Straße herrscht die polizeiliche Samstagslage. Kaffee, gute Laune. Fehlt nur noch, daß einer im Hof seinen Dienstwagen putzt.
„Was kann ich für Sie tun?“
„Ich würde gerne eine Katze füttern“, sage ich und lasse den Schwesterschlüssel baumeln.
Der Beamte mustert mich. Hätte ich vielleicht doch besser eine Trainingsjacke angezogen?
„Das ist der ehemalige Schlüssel für die Wohnung meiner Ex. In dieser Wohnung wartet eine Katze. Sie ist hungrig.“ Ich reiche ihm den amtlichen Zettel.
Er grinst: „Ausweis haben Sie natürlich nicht dabei.“
„Natürlich nicht.“ Wie flexibel ist die Polizei, denke ich, da hat er schon entschieden: „Sie fahren mit den Kollegen und einer Funkstreife zur Wohnung ihrer Freundin. Die Kollegen schließen die Wohnung auf, Sie füttern die Katze, die Kollegen schließen die Wohnung wieder ab. Wann kommt ihre Freundin wieder?“
„Dienstag.“
„Das reicht.“
Eine Frage hatte ich noch: „Kommt das hier öfter vor, ich meine, so ein Einsatz, Polizeibeamte beim Katzenfüttern?“
„Was meinen Sie, zu welchen Schlagzeilen die Presse fähig ist?“
Er hat recht.
Vor dem Haus der Schwester herrscht plötzlich Trubel. In der Tür steht eine Mieterin, die Hände voller Einkaufstüten. „O Gott“, sage ich zu meinen Freunden und Helfern, „ist das jetzt peinlich.“
„Wo wollen Sie hin?“ fragt die Mieterin. „Zu Frau L.?“
„Nein“, sage ich schnell. So schlecht ist der Ruf der Schwester also noch nicht.
Dann geht alles nach Vorschrift. Ein Beamter öffnet das neue Schloß. Ich husche in die Küche. Die Katze hat sich natürlich versteckt. „Ja, wo ist sie denn?“ miezt der andere. Ich löffele Whiskas auf den Teller, dazu Breckies.
Im Fahrstuhl dann Gelächter. „Hat man nicht alle Tage“, sagt der andere Beamte. „Das glaubt mir keiner“, sage ich. Die Beamten nicken.
Zu Hause ist immer noch Frühling. Am Telefon ist die Schwester und will wissen, was ich heute gemacht habe. Mich mit den Bullen auseinandergesetzt, sage ich.
„Ach ja“, sagt meine Schwester, „dein Buch.“ Uwe Rada
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