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■ VorschlagEin Hang zum Dekorativen: Kunst aus Korea in der Zitadelle Spandau

Die Globalisierung des Kunstlebens scheint hierzulande mit einem wachsenden Interesse vor allem für ostasiatische Kunst einherzugehen. Nach mehreren Ausstellungen chinesischer Kunst in Berlin zeigt nun das Kunstamt Spandau „zeitgenössische koreanische Kunst“. Der generalisierende Titel läßt einen Überblick über verschiedene Tendenzen vermuten. Doch bei den ausstellenden 15 Teilnehmern – 13 Malerinnen und zwei Maler – handelt es sich um einen Freundes- und Kollegenkreis um den Maler Im Bong-Kyou. Dieser studierte Bildhauerei in Seoul und in den achtziger Jahren Malerei bei K.H. Hödicke in Berlin. Er ist heute Professor an der Pusan Frauen-Universität, an der auch die meisten ausstellenden Künstlerinnen studierten oder lehren. Pusan ist die zweitgrößte Stadt Süd-Koreas und liegt am Meer gegenüber von Japan.

Bei den ausgestellten, meist kleinformatigen Werken, häufig Arbeiten auf Papier, dominieren Heiterkeit, Buntheit und Farbe. Während an Kunsthochschulen des Fernen Ostens zwischen Abteilungen, die eigene Traditionen fortführen und solchen, die sich westlichen Tendenzen widmen, unterschieden wird, so geht im Werk des einzelnen meist beides ineinander über: Ein Hang zur Abstraktion und zum Dekorativen, wobei die Natur ein Zeitmotiv bildet.

Europäischem Bildverständnis am nächsten kommen noch die Frauenakte von Im Bong-Kyou oder Kang Min: mal naiv stilisierte, in Grün und Ocker gehaltene Ikonen, mal glühend expressiv dargestellte Körperlichkeit – in beiden Fällen Ölgemälde. An klassische Tuschmalerei knüpfen hingegen die Landschaftsdarstellungen von Lee Jung-Soo oder die Bilder grasender Ziegen von Park Seon-Min an.

Bei anderen vermischen sich die Quellen stärker: Eine surreal angehauchte Poesie prägt die Aquatinta-Radierungen von Song Young-Sun, stillebenhafte Interieurs mit Durchblicken ins Freie. Kim Ji-Young malt wie von innen beleuchtete, zarte, schemenhafte Landschaften im Geiste eines Paul Klee. In anderen Arbeiten finden sich Tendenzen der Pattern-art, patchworkähnliche Collagen aus bunten Papieren und Stoffmustern, die eine eigenständige, vom Bildgeviert abweichende Umrißform besitzen; oder dem Informel nahekommende heftige Farbabstraktion, die dennoch ein starkes Gefühl für Naturhaftes wachruft.

Zu der kleinen Schau ist ein mehrsprachiger Katalog erschienen – mit vielen Druckfehlern, aber guten Abbildungen, die nur in Ausnahmefällen mit den ausgestellten Werken übereinstimmen. Hintergrundinformationen zur koreanischen Kunstszene und genauere Angaben zu den KünstlerInnen fehlen weitgehend. Die Chance zum Dialog, im Einleitungstext wortreich beschworen, wurde nur halbherzig ergriffen, zumal auch die Bilder recht versteckt im alten Gemäuer untergebracht sind. Wie so manche auf Eigeninitiative basierende Ausstellung steckt auch hinter dieser viel guter Wille, aber es mangelt an Profil und Entschiedenheit bei Auswahl und Präsentation. Michael Nungesser

Ausstellung koreanische Kunst heute in der Zitadelle Spandau, bis 6. April, Di–So 11–17 Uhr, Katalog 20 DM

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