Boris Jelzin wechselt Rußlands Führung aus

■ Der russische Präsident entläßt bis auf Ministerpräsident Wiktor Tschernomyrdin die gesamte Regierung. Zahl der Ministerien soll deutlich verringert werden

Moskau (taz) – Ohne viel Federlesens schickte Boris Jelzin gestern Rußlands Regierung in den Ruhestand. Als Quittung dafür, daß sie ohnehin schon seit Herbst im Winterschlaf döst, während Rentner und Arbeiter monatelang auf Pensionen und Löhne warten. Lediglich Premierminister Wiktor Tschernomyrdin blieb verschont. Er soll im Laufe der Woche eine runderneuerte Regierungsmannschaft präsentieren, die sich aller Voraussicht nach erheblich verjüngt: Neue, jüngere und vor allem weniger Gesichter werden dem nächsten Kabinett angehören. Gleichzeitig ist geplant, den unbeweglichen Regierungsapparat um überflüssige Ministerien zu erleichtern.

Als Vizepremier wechselt Anatolij Tschubais vom Präsidialstab in die Regierung über. Jelzin signalisierte damit deutlich, daß er willens ist, nochmals einen Reformanlauf zu nehmen, und sich auch stark genug fühlt, um die Dinge in der Präsidialverwaltung selbst in die Hand zu nehmen.

Zum neuen Stabschef ernannte Jelzin gestern den Journalisten Walentin Jumaschew. Der 39jährige bringt keinerlei administrative Erfahrungen mit. Jelzin scheint davon auszugehen, daß mit Vizepremier Tschubais die Rivalitäten zwischen Präsidialstab und Regierung keine wesentliche Rolle mehr spielen. Zuversichtlich, wieder dem neuen Kabinett anzugehören, äußerte sich Außenminister Jewgenij Primakow. Klaus-Helge Donath Bericht Seite 8, Kommentar Seite 10