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„Wir werden uns schützen“

■ Reaktionen auf den Polizeiskandal: Demonstration und Bürgerkomitee / Senat ohne aktuellen Handlungsbedarf Von Jürgen Oetting und Andreas Albert

Hamburgs Prügelpolizisten haben für eine Renaissance der Black Panther-Idee gesorgt. Die in der Hansestadt lebenden Schwarzen jedenfalls wollen nicht länger Opfer sein. Sie gehen gemeinsam auf die Straße. Heute wollen sie um 11 Uhr vor der berüchtigten Polizeiwache in der Kirchenallee mit einer „stolzen und würdevollen“ Demonstration durch die Innenstadt beginnen. Das wurde von der „Black Students Organisation“ und der „Initiative Schwarze Deutsche und Schwarze in Deutschland“ angekündigt.

Was sie darüber hinaus versprechen, klingt kämpferisch: „Wir werden uns nicht mehr verstecken. Wir werden uns gegenseitig beschützen und nicht länger darauf vertrauen, daß diese Gesellschaft die Menschenrechte von schwarzen Menschen schützt.“

Nach den Berichten über schwere Mißhandlungen von Ausländern – darunter mindestens zwei Scheinhinrichtungen – durch Hamburger Polizisten mag auch das Bündnis türkischer Einwanderer dem deutschen Rechtsstaat nicht mehr vorbehaltlos trauen. In einer gestern verbreiteten Erklärung heißt es: Das Vertrauen werde selbst dann nicht wieder herzustellen sein, „wenn in den nächsten Wochen und Monaten rückhaltlos aufgeklärt wird und die Folterbeamten wie ihre Vorgesetzten, die dies alles vertuschen wollten, bestraft und aus dem Polizeidienst entlassen werden.“

Gegen das Vertuschen gründete sich gestern ein „Komitee zur Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei“. Dem Komitee gehören, neben Vertretern diverser Organisationen, politische Einzelkämpfer wie Thomas Ebermann, Journalisten und Mitglieder des Vereins „Kritischer Polizisten“ an. Sie sind sich darin einig, daß die bekanntgewordenen Fälle nur die Spitze eines Eisberges sind. „Die Gewalt ist alltäglich, es handelt sich nicht um Einzelfälle“, sagte der Journalist Oliver Neß.

Das Komitee will zur Aufklärung von gewalttätigen Übergriffen beitragen und eine Anlaufstelle für Polizeiopfer sein. Das sei dringend notwendig, denn bei den Opfern handele es sich hauptsächlich um „Menschen mit geringer Beschwerdemacht, wie Afrikaner, Junkies, Kurden und andere Minderheiten“, erläuterte der „kritische Polizist“ Holger Jänicke-Petersen. Auf die politischen Kontrolleure mögen die Komitee-Mitglieder nicht hoffen.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat dagegen ganz andere Sorgen. Sie warnte gestern vor pauschalen Verurteilungen ihres Berufsstandes. Zwar gehöre, wer Ausländer mißhandelt, nicht in die Polizei, meinte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Konrad Freiberg, doch dann warb er schon wieder für Verständnis: „Wer Tag und Nacht in dieser Szene arbeitet, der verliert manchmal den Anspruch des Rechtsstaates aus dem Auge, die Menschenwürde eines Drogendealers zu achten.“

Für konsequente Reaktionen der politisch Verantwortlichen war es gestern offensichtlich noch zu früh. Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) igelte sich mit juristischen Argumenten ein: „Ich kann Anschuldigungen in den Medien nicht zur Grundlage von Entscheidungen machen. Den Wahrheitsgehalt der jetzigen Anschuldigungen wird die Staatsanwaltschaft zu bewerten haben.“

Dafür handelte er sich die Schelte des innenpolitischen Sprechers der GAL-Fraktion, Manfred Mahr, ein: „Die windelweiche Erklärung des Innensenators ist angesichts der Schwere der Vorwürfe unerträglich. Sie erinnert fatal an die Ausweichmanöver seines Vorgängers“, der dann schließlich zurückgetreten sei.

Allein Justizsenator Klaus Hardrath (parteilos) war gestern zu konkreten Informationen befähigt, die aber keineswegs befriedend oder befriedigend ausfielen. In einem – öffentlich verbreiteten und für die Öffentlichkeit gedachten – Brief an seinen Senatskollegen Wrocklage schrieb Hardrath: „Der Stand der Ermittlungen erlaubt es nicht, besondere Hinweise für eventuell notwendige disziplinarische Maßnahmen zu geben.“ Und weiter: „Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, die Ermittlungen in etwa zwei Monaten abschließen zu können.“

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