: Hoffnungsträger der Rechten in Polen
■ Marian Krzaklewski, Chef der Gewerkschaft Solidarność, steht an der Spitze einer erfolgreichen rechten Wahlaktion
Warschau (taz) – „Schöne Männer braucht das Land“, scheinen sich die Wahlstrategen Polens zu denken. Noch sind es fast sechs Monate bis zu den Parlamentswahlen im Herbst dieses Jahres. Doch schon jetzt wird an den Profilen der wichtigsten Politiker wie wild gefeilt. Bislang hatten die Postkommunisten die Nase vorn, wenn es darum ging, den eigenen Politikern Macht und Schönheit zuzusprechen. Wenn heute von „Mr. Kennedy“ die Rede ist, weiß jeder Pole, daß Staatspräsident Aleksander Kwasniewski gemeint ist. Der Werbefeldzug für Ministerpräsident Wlodzimierz Cimoszewicz verunglückte allerdings leicht: Aus dem „polnischen Alain Delon“ wurde im Volksmund „unser Gigolo“ oder schlicht „fryzjer – Friseur“.
Seit einigen Wochen holen die rechten Parteien auf. An die Stelle des Urgesteins Lech Walesa, der als mutiger Arbeiterführer Polen in die Demokratie, als streitbarer Präsident aber fast in den Abgrund geführt hat, ist Marian Krzaklewski getreten. Der bisherige No- name-Politiker, der jahrelang im Schatten des „großen Elektrikers“ stand, trägt heute einen für Polen geradezu genialen Spitznamen: „boski Marian – der göttliche Marian“.
Die polnischen Medien, die den Nachfolger Walesas auf dem Chefsessel der Gewerkschaft jahrelang als „schön und dumm“ belächelten, schmücken ihn heute mit Beinamen wie „Charming boy“, „Mister Right“ oder nennen ihn kurz „Krzak“ (sprich: „Kschak“).
Der Höhenflug Krzaklewskis beruht auf einer grundsätzlichen Umorientierung der polnischen Gesellschaft. Konservative, christlich-nationale bis hin zu radikal rechten Parteien gewinnen immer mehr Anhänger und deutlich mehr Einfluß auf die Gesellschaft.
Krzaklewski ist gelungen, was weder Walesa noch die liberale Freiheitsunion (UW) auch nur ansatzweise zustande gebracht haben: die Konsolidierung der Rechten in einem Parteienbündnis. Die Wahlaktion Solidarność (AWS) vereinigt heute über 40 konservative Gruppierungen unter einem Dach. Keine dieser „Sofaparteien“, wie der Volksmund die Splittergruppen nennt, weil ihre Mitglieder „auf eine Couch“ passen, hätte in den kommenden Parlamentswahlen auch nur den Hauch einer Chance, in den Sejm, das polnische Parlament, zu kommen. Krzaklewski führte deshalb ein ebenso simples wie einleuchtendes Argument ins Feld. Er machte den als streitsüchtig und zum Teil als rechtsradikal bekannten Parteien unmißverständlich klar, daß ihre Tage gezählt sind, wenn sie es auch diesmal nicht schafften, die Fünfprozenthürde zu überspringen.
Das Vorbild für Krzaklewskis AWS dürfte – auch wenn er dies natürlich öffentlich nicht eingesteht – das Bündnis der demokratischen Linken sein (SLD). In ihr sind über dreißig linksliberale und postkommunistische Gruppierungen organisiert. Die Sozialdemokratie Polens (SdRP) fällt als größte Partei – sie ist die Nachfolgerin der jahrzehntelang allein regierenden kommunistischen Vereinigten Arbeiterpartei – die Entscheidungen mehr oder weniger im Alleingang. Eine ähnliche Vormachtstellung und Stabilitätsgarantie hat Krzaklewski in die eigene AWS eingebaut: Die Gewerkschaft Solidarność hält über 50 Prozent der Stimmen. Den Umfragen zufolge wird ein Regierungswechsel im Herbst diesen Jahres immer wahrscheinlicher.
Gegner Krzaklewskis halten ihn für einen gefährlichen Populisten, der es gelernt hat, auf der Klaviatur der nationalen Gefühle zu spielen. Krasses Beispiel ist Krzaklewskis „großer Auftritt“ vor der Nationalversammlung Ende Februar.
Hier attackierte der „göttliche Marian“ den von der Regierung und der parlamentarischen Opposition ausgearbeiteten Verfassungskompromiß als „im marxistisches Geist“ gehalten. „Will die Nationalversammlung als diejenige in die Geschichte eingehen“, fragte er polemisch, „die nach 1.030 Jahren, in denen Polen christlich war, Gott aus der Verfassung wirft?“
Tadeusz Mazowiecki, den ersten demokratischen Ministerpräsidenten nach der Wende im Jahre 1989, mußte das besonders treffen. Der engagierte Katholik ist nicht nur Mitautor des Verfassungskompromisses, er hat auch den Text für eine Präambel zur neuen Verfassung entworfen, die beide Seiten, Christen wie Nichtchristen, zufriedenstellen kann. Krzaklewski hielt dagegen und legte kurzerhand einen eigenen, von der AWS ausgearbeiteten Verfassungsentwurf vor. Mit der Vorlage dieses Entwurfes verband er die Erwartung, daß dieser nun gleichberechtigt neben dem der Regierung behandelt werde. Und so forderte er auch kurzerhand eine Volksabstimmung über die neue Verfassung. Dies wäre dann allerdings die letzte in Polen. Die „Bürgerverfassung“ der AWS sieht nämlich keine direkte Beteiligung der Bürger an der Macht vor. Gabriele Lesser
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen