: „Die Deponie ist undicht“
Giftige Chemie im Erdreich, umstrittener Wohnungsbau in Kippennähe: Die Sanierungsprobleme der ehemaligen Deponie Eckerkoppel in Farmsen-Berne sind kein Einzelfall ■ Von Heike Haarhoff
Hellhörig ist Elke Hahn erst „im nachhinein“geworden. Die Allergien ihrer Kinder, absterbende Bäume auf den benachbarten Grundstücken, ein nierenkrebskrankes Pferd auf der Weide hinter ihrem Haus am Tegelweg im Stadtteil Farmsen-Berne: Nie hätte Elke Hahn früher gedacht, „daß das irgendwas mit der Deponie Eckerkoppel zu tun haben könnte. Unsere Kinder haben da doch immer gespielt.“
Beweise gibt es bis heute nicht. Bloß den Verdacht der Anwohner, daß eben doch Giftstoffe aus der ehemaligen Müllkippe nahe der Siedlung ins Erdreich gesickert sind und ungeahnten Schaden angerichtet haben könnten: „Man macht sich doch Gedanken und sucht nach Ursachen.“Die Deponie leckt, soviel steht fest.
1913 wurde die Tongrube zur Ziegelherstellung ausgehoben und nach ihrer Stillegung zwischen 1946 und 1959 munter verfüllt: mit Bauschutt, Industrie-, Gewerbe- und Hausmüll, wie es damals eben üblich war. Die Eckerkoppel ist kein Einzelfall: Die Chemie reagierte, bahnte sich ihren Weg durch die Deponieschichten. Bis die giftige Brühe irgendwann, wie an so vielen ehemaligen Hamburger Deponiestandorten, auch in Farmsen-Berne ins Erdreich und Grundwasser tröpfelte.
„Sofortige Sanierung“, fordert Elke Hahn und mit ihr 15 Familien der örtlichen Bürgerinitiative. Vor 20 Jahren sind die meisten von ihnen „der Ruhe und der Kinder wegen“ins beschauliche Farmsen-Berne gezogen. Jetzt soll wieder gebaut werden. 60 Wohnungen, schmucke Vororthäuschen im Grünen, zweigeschossig und in Zweierreihen, in 20 Meter Entfernung zur Deponie. Viel zu nah, sagen die Anwohner: „Wenn hier umgegraben wird, gelangen womöglich Deponiestoffe aus dem Untergrund auf unsere Grundstücke.“
Die örtlichen Grünen teilen die Bedenken. „Die Deponie ist undicht und muß erstmal saniert werden“, fordert die Wandsbeker GAL-Fraktionsgeschäftsführerin Susanne Siems. In der heutigen Sitzung des Stadtplanungsausschusses wird ihre Fraktion deshalb beantragen, die Entscheidung über die Bebauung solange zu vertagen, bis eindeutig geklärt ist, wie mit der Gefährdung umzugehen ist.
„Aus Sicht der Verwaltung sind eine Menge Vorkehrungen getroffen“, verwehrt sich die Stadtplanungsabteilung gegen den Vorwurf, wissentlich menschliche Gesundheit zu gefährden. Die Keller der künftigen Häuser würden gegen austretendes Deponiegas abgedichtet, Stauwasserreinigungsanlagen installiert. Auch die Regierungskoalitionäre vor Ort, SPD und CDU, sehen keinen Anlaß, den geplanten Wohnungsbau zu verzögern. Schließlich, so SPD-Fraktionschef Ingo Egloff, werde anders als vor Jahren in Barsbüttel „nicht auf, sondern neben der Deponie gebaut.“Die Untersuchungsergebnisse der Umweltbehörde bestätigen ihn: „An unserer Meinung, daß man dort mit einem gewissen Abstand zur Deponie bauen kann, wenn die Keller ordentlich abgedichtet werden, ändert sich nichts“, erklärt Sprecher Kai Fabig.
Im Mai 1996 hat die Umweltbehörde die Schadstoffkonzentration zuletzt gemessen. Gefunden wurde „alles, was gut ist“, sagt Fabig: krebserregende Benzole, Mineral- und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Schwermetalle, leicht flüchtige Chlorkohlenwasserstoffe. Im Deponiekörper und im Stauwasser, so die Gutachter, liegen die Meßwerte „deutlich oberhalb der Sanierungsleitwerte.“„Allen ist klar, daß etwas passieren muß“, weiß Fabig. Nur was?
Möglich wäre, die Deponie abzutragen, was in der Fachsprache „Auskoffern“heißt und bedeutet, den ganzen Dreck mit Lastern irgendwo anders hin zu transportieren. Der Vorteil: Das Gebiet wäre anschließend schadstofffrei, Wohnungen könnten preisgünstiger, weil ohne besondere Kellerabdichtungen gebaut werden, und vor allem, sagt Elke Hahn, wäre das subjektive Sicherheitsgefühl der Anwohnerschaft wieder hergestellt.
Der Nachteil: Das Auskoffern verschlingt zweistellige Millionenbeträge, verschiebt das Entsorgungs-Problem bloß geographisch und ist spätestens seit den Mülltransporten von Harrislee im vergangenen Herbst umstritten: Damals war das schleswig-holsteinische Siebrestlager Harrislee unter großem öffentlichen Protest geräumt und mit beispiellosem Aufwand (6.400 Lkw-Fahrten, eine Million Liter Dieselverbrauch) zur „Endlagerung“auf die mecklenburgische Kippe Schönberg verfrachtet worden.
Die Wandsbeker Deponie Eckerkoppel ließe sich auch – ähnlich wie Hamburg-Georgswerder – mit einer Hülle einkapseln, damit keine weiteren Schadstoffe ins Erdreich sickern. Vor möglicher Deponie-Ausgasung schützt aber auch diese Methode nicht; Entlüftungsschächte und Reinigungsanlagen sind nötig. Außerdem wäre die ummantelte Deponie Eckerkoppel nur bedingt nutz- und bebaubar: Einer Autostraße würde die Schutzschicht nicht standhalten.
Die aber wollen Wandsbeks Bezirkspolitiker seit Jahren. Ärgerlich sind sie, weil die Deponie exakt dort liegt, wo eigentlich der vierspurige Friedrich-Ebert-Damm verlaufen sollte: Doch wegen der Einbruchgefahr endet die Hauptverkehrsstraße derzeit jäh im Norden kurz vor der Deponie und setzt sich dann erst im Süden nahe des Berner Heerwegs fort. Die 700 Meter lange Straßenlücke würden SPD und CDU zu gern schließen. „Das Ding sollte schon längst fertig sein“, grämt sich CDU-Fraktionschef Gerhard Fuchs.
Deshalb soll jetzt eine Umleitung „mit einem Bogen nach Osten“gebaut werden – also nicht direkt über die Deponie, sondern parallel dazu. Die ist zwar teurer und kreuzt zum Leid von Anwohnern und GAL Kleingärten, ermöglicht aber, daß die Straße in jedem Fall realisiert werden kann – was immer mit der Kippe geschieht.
Die Anwohner beruhigt das wenig. „Wir“, sagt Elke Hahn, „haben hier alle unsere Gärten. Wer garantiert uns, daß durch die Bauarbeiten nicht noch weitere Risse und Leckagen entstehen?“
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