: Diebstahl mit Gottes Segen
■ Londoner Pfarrer rechtfertigt Ladendiebstahl – vor Polizisten
Dublin (taz) – Im Namen des Herrn: Klaut! Diese Botschaft verbreitete der Londoner Pfarrer John Papworth ausgerechnet vor einem Polizeiseminar über Verbrechensbekämpfung. Der 75jährige Anglikaner, der in seiner Jugend Ladendiebstahl begangen und in den sechziger Jahren wegen Anti-Atom-Protesten verwarnt worden war, beschrieb Supermärkte als „üble Orte der Versuchung“. Ladendiebstahl sei „eine dringend notwendige Umverteilung wirtschaftlicher Ressourcen“. Zur Unterstreichung seiner These zog Papworth die Bibel heran: „Jesus sagte: ,Liebe deinen Nächsten‘ und nicht Marks & Spencer.“
Der erzkonservative Sunday Telegraph schäumte gestern: „Manche Teile des Klerus haben sich eher einer marxistischen Ideologie denn der Christlichkeit verschrieben.“ Das Blatt warf Papworth vor, besonders ungeschickt argumentiert zu haben: Er beschuldige ausgerechnet die bekannteste jüdische Supermarktkette, Marks & Spencer, den Leuten ohne Rücksicht auf die Folgen das Geld aus der Tasche zu ziehen, obwohl er doch in einer Gemeinde mit hohem jüdischem Anteil arbeite.
Während führende Anglikaner ihren Kollegen nur für plemplem halten und sich von ihm distanzierten, bezeichnete Innenminister Michael Howard den Aufruf zum Diebstahl als „skandalös“. Sprecher von Supermarktketten verwiesen auf das 8. Gebot: Du sollst nicht stehlen! Daß sich ausgerechnet Supermärkte auf die Bibel berufen, fand ein Kollege von Papworth allerdings heuchlerisch: Schließlich mißachteten sie Sonntag für Sonntag den Tag des Herrn, indem sie ihre Konsumtempel öffneten. Das ließ John Jacob, Erzdekan von London, aber nicht als Entschuldigung gelten. Er nannte Papworth' Äußerungen „wenig hilfreich“ und meinte: „Er ist ein älterer Herr und ein Aufwiegler, der die Moraltheologie falsch verstanden hat.“
Die Kirchenoberen wollen in dieser Woche beraten, was mit Papworth geschehen soll. Vermutlich werden sie ihm die Lizenz zum Predigen entziehen. Möglicherweise muß er dann klauen, um für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Ralf Sotscheck
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