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Kraut und Rüben

■ Wahlen: Fällt die Fünf-Prozent-Hürde?

Große Freude bei den Kleinen: Die Hamburger FDP und GAL begrüßen stürmisch die Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichts. Das nämlich erklärte gestern die Fünf-Prozent-Hürde bei den Wahlen zu den hauptstädischen Bezirks-Rathäusern für verfassungswidrig. „Die Entscheidung muß auch für Hamburg Anwendung finden“, frohlockte FDP-Chef Frank-Michael Wiegand. Natürlich nicht aus Eigennutz, sondern zum Wohle der Demokratie. Ausgerechnet die Statt Partei hielt sich zurück. Ohne die Hürde bestünde die Gefahr „politischer Zersplitterung“und des „leichteren Reinkommens von Extremisten“, so Statt-Gruppen-Chef Achim Reichert.

Der Direktor der Bürgerschaftskanzlei, Eckhart Reinert, hält eine Übertragbarkeit auf Hamburger Verhältnisse für keineswegs abwegig. Angesichts der „geringen Ausübung der Staatsmacht“sei auch bei den Hamburger Bezirksversammlungen die „Frage der Notwendigkeit“einer Fünf-Prozent-Hürde „zu überdenken“.

In Berlin hatten FDP und Republikaner geklagt. Das Verfassungsgericht gab ihnen recht, denn es läge „kein zwingender Grund“für eine Sperrklausel vor. Jede Stimme müsse gleiches Gewicht haben. Außerdem könnten alle Befugnisse auch dann wahrgenommen werden, wenn kleinere Fraktionen oder Einzelpersonen in den Bezirksparlamenten vertreten seien.

Der GAL-Verfassungsexperte Martin Schmidt sieht sich in seinem politischen Wirken und Treiben bestätigt. Erst vor sechs Wochen habe die GAL einen Antrag gleichen Inhalts gestellt. Denn der Verfassungsausschuß berät derzeit über ein neues Wahlgesetz. Neonazis in der Bezirksversammlung nimmt Schmidt „in Kauf, wenn die Demokratie gefördert wird“. Rechte seien ein „viel geringeres Problem als das derzeit herrschende Wahlrecht“. Dieses schränke WählerInnen ein, weil sie nur Listen und keinen Personen ihre Stimme geben könnten.

In Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg existiert auf Kreis- und Gemeindeebene keine Sperrklausel. Im Münchner Rathaus säßen Abgeordnete einer Schwulenliste und der Umweltgruppe „David gegen Goliath“ebenso wie die Autopartei, schwärmt Schmidt vom bayrischen Kraut und Rüben. Silke Mertins

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