: „Wir sind zu weit gegangen“
Bündnis für Ausbildung geplatzt: Gewerkschaften fordern mehr Verbindlichkeit seitens der Betriebe ■ Von Ulrike Winkelmann
„Das Hamburger Bündnis für Ausbildung ist gescheitert“: So gaben Hamburgs führende Gewerkschaftsfunktionäre gestern ihren Rücktritt von dem Mitte Februar vorgestellten Konsenstrüppchen aus Politik, Unternehmern und Gewerkschaften bekannt. „Wir sind in unserer Kompromißbereitschaft zu weit gegangen. Es gibt für das Bündnis keine gewerkschaftliche Basis“, erklärte der Hamburger DGB-Vorsitzende Erhard Pumm.
Damit ist auch die Umsetzung der vier Wochen alten Bündnis-Pläne geplatzt. 500 bis 1.000 Ausbildungsplätze zusätzlich wollten Handels- und Handwerkskammer schaffen, sofern die Auszubildenden weniger Zeit in der Berufsschule und mehr Zeit in den Betrieben verbrächten.
Die Forderungen, die auch von den Gewerkschaftsvertretern am Bündnistisch abgenickt worden waren, sahen insbesondere vor, daß der Sportunterricht durch Gutscheine für Vereinsmitgliedschaften ersetzt und der Deutschunterricht gekürzt wird. Der einzelne Berufsschultag sollte von sechs auf acht Stunden verlängert, die Ausbildungszeit in der Schule insgesamt jedoch um eine Woche verkürzt werden.
„Da haben wir einen Fehler gemacht“, gestand gestern auch Uwe Grund, Landesleiter der Angestellten-Gewerkschaft DAG und, wie Pumm, SPD-Bürgerschaftsmitglied. Denn unmittelbar nachdem Bürgermeister Henning Voscherau vor vier Wochen mit stolzgeschwellter Brust die Pläne des an seinem Tisch geschaffenen Bündnisses präsentiert hatte, stand bereits die LehrerInnen-Gewerkschaft GEW auf den Barrikaden. Die Schulausbildung, so forderte die GEW, dürfe nicht zugunsten der betrieblichen Ausbeutung zurückstehen. Dieser Ansicht schlossen sich die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) sowie die IG Metall an und pfiffen ihre Kollegen zurück.
Gestern war man sich dann wieder einig: „Die Arbeitgeber sind es, die ihrer verfassungsgemäßen Pflicht zur Ausbildung nicht nachkommen“, sagte Pumm. Nur ein Drittel der Hamburger Betriebe bilde überhaupt aus. Der DGB schlägt daher vor, durch ein Umlagesystem die Ausbildungskosten auf alle Betriebe zu verteilen.
Schulsenatorin Rosemarie Raab (SPD) „bedauerte“gestern die Aufkündigung und appellierte an die Kompromißpartner, an den Zielen des Bündnisses festzuhalten: Die Schaffung von Ausbildungsverbünden gerade kleinerer Betriebe, die Verzahnung der Lerninhalte in Schule und Betrieb sowie von Aus- und Weiterbildung. Handels- und Handwerkskammer hingegen betonten, für sie sei das Bündnis für Ausbildung längst noch nicht geplatzt. Vordringliches Ziel bleibe es nach wie vor, neue Lehrstellen zu schaffen, meinte Robert Grimm von der Handelskammer. „Wer da aussteigt wie die Gewerkschaften, stellt sich ins Abseits.“
Demonstration von GEW, SchülerInnenkammer u.a. heute, 14 Uhr, vor der Handwerkskammer
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