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: Indizien zum Selberreimen

„Alte Liebe, alte Sünde“, Montag, 20.15 Uhr, ZDF

Und wieder nähert sich die Kamera dem Gesicht der Sophie von Kessel, große Augen, sinnliche Lippen, der Mund vor Entsetzen aufgerissen. In dramatischer Zeitlupe sehen wir den Schrecken über ihr Gesicht kriechen. Was erschreckt sie so, fragen wir uns noch, aber da fährt die Kamera wieder ganz nahe an das Gesicht der Sophie von Kessel heran, ihr Mund ist diesmal halb geöffnet, wieder Slow Motion, diesmal staunt sie. Und dann, als sie zum nächsten und übernächsten Mal von innerster Bewegung getrieben mal wieder den Mund halb öffnet und ganz langsam an der Kamera vorübergleitet, da kommen uns die ersten Zweifel.

Ja, sie hat schon ein schönes Gesicht, diese junge Dame, aber trägt dieses Gesicht ein ganzes Fernsehspiel? Nein, tut es nicht. Und leider hatte dieser Krimi auch sonst nicht viele Stützen. Man kann zwar nicht behaupten, Sophie von Kessel oder irgend jemand sonst hätte schlecht gespielt in „Alte Liebe, alte Sünde“ – aber besonders gut gespielt hat auch niemand. Vielleicht haben wir es aber nur nicht gemerkt: der Regisseur Anno Saul hat uns zwar sehr stimmungsvolle Kameraperspektiven auf den Schirm gebracht – nicht nur vom Gesicht der Hauptdarstellerin. Die Atmosphäre dieser Einstellungen wird aber nie gehalten, sie verpufft statt dessen durch abrupten Abbruch der Sequenzen im Nichts.

Da bleibt den Schauspielern nicht viel Zeit, ihre Kunst zu zeigen, denn die Szenen sind, kaum begonnen, schon wieder vorbei. Saul erzählt uns keine Geschichte, statt dessen reiht er Situationen aneinander, immer langatmig und manchmal zusammenhanglos. Vielleicht war das ein Kunstgriff, der Zuschauer sollte sich die Handlung durch quasi eigenständige Beobachtungen selbst zusammenreimen, Indiz für Indiz.

Aber welche Handlung nur? Über diese nämlich zu schreiben ist schwer, denn der Gedanke daran macht schläfrig, so schläfrig. Wer hätte nicht sofort gewußt, daß der verklemmte Heiner etwas mit dem Mord (darum gings nämlich) zu tun hat? Diese abgestandene Erkenntnis als Schlußpointe zu präsentieren, war schon fast unverschämt. Aber was will man auch von einem Film erwarten, dessen Schlüsselsatz lautet: „Es gibt solche und solche.“ Nichts, gar nichts, überhaupt nichts, aber wenn schon etwas, dann solches. Stefan Kuzmany