: Drohender Flächenbrand
■ Krupp will den Thyssen- Konzern übernehmen
Feindliche Firmenübernahme, das klingt feindlich. Da keimt Mitleid mit dem Opfer auf, in diesem Fall Thyssen, und vor allem mit den Arbeitern, die zu Recht um ihre Jobs fürchten. Die kühl- distanzierte Haltung von Krupp-Chef Gerhard Cromme, der sich schon durch die Abwicklung der Hütte in Duisburg- Rheinhausen 1988 Feinde gemacht hat, scheint die schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen. Gleich zweimal, erst in der Frage der Kohlesubventionen und jetzt beim Stahl, bekamen die Arbeiter in den Traditionsbranchen jetzt gesagt, daß man so viele von ihnen nicht mehr gebrauchen kann.
Doch schuld an der gefürchteten Arbeitsplatzvernichtung ist nicht die Fusionswut wild gewordener Manager. Mit oder ohne Firmenübernahme werden immer mehr Stahlkocher arbeitslos. Schon in den vergangenen Jahren schritt bei Thyssen der Beschäftigungsabbau voran – und zwar keineswegs langsamer als bei dem Krupp-Konzern, nachdem dieser die Konkurrenzfirma Hoesch 1992 übernommen hatte, wie Krupp-Chef Cromme süffisant anmerkte.
Sozialpolitisch wird die Übernahme von Thyssen durch Krupp dennoch ein Sprengsatz im Revier sein, wenn dadurch tatsächlich die Entlassungswelle noch beschleunigt wird. Betriebswirtschaftlich sieht die Rechnung anders aus. Die deutsche Stahlindustrie steht auf wackeligen Beinen, die Kosten sind im Vergleich mit der osteuropäischen und asiatischen Konkurrenz viel zu hoch. Solange der Weltmarkt nicht außer Kraft gesetzt wird, sind radikale Kostensenkung und die Schrumpfung der Belegschaft nicht zu verhindern, genau wie in der anderen Traditionsbranche des Ruhrgebiets und des Saarlands, der Kohle.
Im konkreten Fall aber wird ein gefährlicher Schritt gemacht. Denn Thyssen ist der größere und gesündere der beiden Konzerne. Der Verdacht ist berechtigt, daß Krupp-Chef Cromme mit diesem Coup seinen Laden sanieren will – auf Kosten von Thyssen. Die Thyssen-Aktionäre zum Verkauf ihrer Aktien zu bewegen, ist kostspielig, und die beteiligten Banken, die die Übernahme finanzieren, wollen dafür eine anständige Rendite sehen. Eine friedliche Fusion wäre daher der wesentlich sinnvollere Weg. Sonst droht ein Ausverkauf Thyssens. Und damit auch ein Flächenbrand im Revier. Nicola Liebert
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