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Mit Kampfkeule in den Süden

■ Interaktive Publikumsshow im Cinemaxx geriet zum halbstündigen Krampf mit Geld-zurück-Garantie

Der gelbe Rennwagen schlittert und schrammt im Schneckentempo über die Leinwand und durchscheppert als Autowrack das Ziel.

Alle sind genervt. Diese schleichende Blechdemolierung hat doch wirklich wenig mit dem „virtuellen Hochgenuß“zu tun, mit dem das Hamburger Medienunternehmen Lava und das Cinemaxx ihre interaktive Publikumsshow vom Wochenende beworben haben. Angekündigt war Großartiges: Hunderte von Besuchern sollten gemeinsam die Hauptrolle spielen. Gemeint war jedoch lediglich, daß das Publikum farbige Styroporkellen schwingen sollte, deren Reflexionen, von Kamerasystemen erfaßt, Einfluß auf die Computerspiele auf der Leinwand nehmen konnten.

Über gemeinsames Handeln und Kommunizieren sollte das Publikum zusammen Entscheidungen treffen, um Flugzeuge durch virtuelle Landschaften dirigieren zu können oder eben Rennwagen über englische Rennstrecken jagen zu lassen. Eingeteilt in zwei großen Teams, sollte fair gegeneinander virtuelles Basketball gespielt werden oder kleine, weiße Katzen vor dem großen, braunen Hund beschützt werden.

Doch am Samstag nachmittag kam alles ganz anders. Zum interaktiven Vergnügen strömten nicht hunderte, sondern schleppten sich gerade mal 80 bis 90 Besucher. Ein Elend, was von der Spielleitung dann auch ganz schnell mit einer angeblich verpatzten Verlosungsaktion entschuldigt wurde. Die angeblich besten Spiele, in denen man galaktische Flugkörper aus Star Wars hätte steuern dürfen, konnten wegen Spielermangels nicht gespielt werden. Aus dem einstündigen Spaß wurde nur ein halbstündiger Krampf. Deswegen bekamen die verwirrten Spieler am Ende auch ihr Geld zurück. Aus der gruppendynamischen Kommunikation wurde einzelkämpferisches Geschrei. Der Teamgeist degenerierte zu üblen Verdächtigungen des Nachbars, den man, setzte er mal falsche Signale, des Spielboykotts oder gar der Sabotage bezichtigte. Und gemeinsames Handeln war auch nicht drin, was der schrottreife Rennwagen beweist.

Im Fachjargon nennt sich das ganze Spektakel „interaktives Event- Entertainment“, kommt aus den USA und soll hier, laut Veranstalter, schon ein Renner sein. Nicht zuletzt die gruppendynamischen Erfahrungen machen dieses Event- und Showkonzept auch in Deutschland erfolgreich, davon ist wenigstens der Producer des Lava-Unternehmens, Gerhard Sasz, überzeugt.

Zur Mitarbeitermotivierung beispielweise ließe sich das schlappe Spektakel nutzen. Oder gar zur nationalen kulturellen Verständigung, wie es eine Bank schon plant, um ihre nord- und süddeutschen Angestellten endlich mal einander anzunähern.

Eva Rink

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