Gast-Kommentar
: Verwöhnt im Ödland?

■ Warum deutsche Schulmeister Fremde zu ihrem Glück zwingen wollen

Sie haben in deutschen Baracken gewohnt, versteckt hinter Erdwällen und Gebüsch, auf ödem deutschem Brachland zwischen Gleisanlagen und Schnellstraße. Sie haben deutsche Arbeit gesucht, um zu überleben. Sie fanden, was kein Deutscher akzeptierte, und standen während Stunden im heißen Dampf der Abwaschmaschinen von deutschen Großküchen. Sie waren Flüchtlinge aus dem bosnischen Kriegsgebiet.

Sie waren unsere Gäste, geflüchtet vor durchgedrehten Nachbarn, die eines Tages auf sie schossen. Deutschland hat, wie viele Länder Europas, ihnen in humanitärer Verpflichtung nach internationalen Abkommen Unterkunft in Baracken zur Verfügung gestellt – kostenlos, solange sie keine Arbeit fanden, die kein Deutscher wollte.

Am Samstag haben deutsche Polizisten unsere Gäste wieder rausgeschafft und abgeschafft, weggeschafft nach Bosnien, wo deutsche Soldaten den amerikanischen Frieden sichern. Freiwillig dorthin zurückkehren, wo sie in ihren Gedanken und Träumen immer waren, wollten sie nicht. Warum? Waren wir allzu gastfreundlich? Haben wir sie mit unseren Baracken im Ödland verwöhnt?

Wer so denkt, hat sich um seine Gäste nie gekümmert, hat sich nie mit ihren Ängsten und Wünschen auseinandergesetzt und glaubt immer noch, daß für Ausländer die deutsche Aufenthaltserlaubnis als Eintritt ins Paradies zählt. Er ist ein unverbesserlicher Schulmeister, der den Fremden mit der Abschiebung zu seinem Glück zwingen will. Er mißbraucht die internationale humanitäre Hilfe als willkommende PR-Aktion.

Was soll ich von einem Deutschland denken, das deutsche Soldaten verurteilt, die den Befehl ausführten, auf Deutsche zu schießen, die über die Mauer ins andere Deutschland fliehen wollten, und gleichzeitig deutsche Polizisten einsetzt, die mit Gewalt Ausländer über die deutsche Mauer schaffen in ein von deutschen Soldaten bewachtes Chaos? Viele Bosnier fürchten sich, zum jetzigen Zeitpunkt in die international diktierte Normalität zurückzukehren. Sie haben ihre traumatischen Kriegserlebnisse noch nicht verarbeitet. Wir haben ihnen dabei nicht geholfen. Wir waren schlechte Gastgeber.

Soll ich mit Häme hoffen, daß diese Polizisten, diese willfährigen Vollstrecker behördlicher deutscher Gewalt, und ihre politisch Verantwortlichen sich vielleicht auch einmal für ihre Unmenschlichkeit rechtfertigen müssen? Res Bosshart