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Fehlgriff der Fahnder

■ Angebliche „radikal“-Herausgeber verhaftet und sofort wieder freigelassen

Berlin (taz) – Die Durchsuchungen und Verhaftungen im radikal- Verfahren reißen nicht ab. In der Nacht zu Sonnabend wurde der Berliner Werner Konnerth und eine weitere Person auf Antrag der Bundesanwaltschaft (BAW) in Münster festgenommen, am Nachmittag darauf die Berliner Wohnungen der gerade Inhaftierten durchsucht. Beschlagnahmt wurden Computer und Disketten.

Grund der neuen Aktivitäten gegen die mutmaßlichen Herausgeber der verbotenen „Untergrunddruckschrift“: In dem Fahrzeug, das Konnerth bei der Polizeikontrolle in Münster fuhr, befanden sich nach Angaben der BAW 680 Ausgaben der radikal-Ausgabe vom Frühjahr dieses Jahres.

Da aber irrten die Karlsruher Ermittler. Bei der Zeitschrift, auf der das Logo der Zeitschrift prangt, handelt es sich um die Dokumentation längst erschienener radikal-Artikel, in denen, so die BAW, für terroristische Vereinigungen geworben und militante Aktionen gutgeheißen werden. Als Herausgeber firmiert laut Impressum nicht das im Untergrund arbeitende radikal-Redaktionskollektiv, sondern eine Gruppe von Prominenten, der auch der Politikprofessor Elmar Altvater, die frühere PDS-Vize Angela Marquardt sowie der taz-Redakteur Gerd Nowakowski angehören.

„Wenn nur das Logo radikal irgendwie erscheint, setzt bei einigen Karlsruher Bundesanwälten das Hirn automatisch aus“, kommentiert Konnerths Anwalt Christoph Kliesing aus Berlin die Verhaftung. Inzwischen scheint auch der BAW ihr Fehlgriff aufgefallen zu sein: Gestern verfügte sie die Freilassung der beiden Festgenommenen. Die bei den Durchsuchungen beschlagnahmten Disketten sollen aber erst nach ihrer polizeilichen Auswertung wieder zurückgegeben werden.

Werner Konnerth ist einer der vier im radikal-Verfahren Beschuldigten, die im Rahmen einer bundesweiten Großrazzia am 13. Juni 1995 festgenommen worden waren und anschließend ein halbes Jahr in Untersuchungshaft saßen. Erst am 5. März hatte das Koblenzer Oberlandesgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die „Viererbande“ unter anderem mit dem Hinweis abgelehnt, daß kein hinreichender Tatverdacht der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ bestehe.

Die Karlsruher BAW ließ sich durch diesen Gerichtsbeschluß nicht irritieren: Den Durchsuchungsbeschluß gegen Konnerth, den sie für den „Rädelsführer“ der radikal-Gruppe hält, begründete sie erneut mit dem Vorwurf, Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu sein. Marco Carini

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