Statt Hochzeit droht Abschiebung

■ Das Aufgebot hatten Ismael Grib und Sandrina Herold schon bestellt. Doch Grib soll nun ausgewiesen werden

Hannover (taz) – „Eigentlich wollten Sandrina und Ismael in den Osterferien heiraten“, sagt Gisela Mücke, die an der Freien Waldorfschule in Evinghausen bei Osnabrück die Klassenlehrerin der 19jährigen Sandrina Herold ist. „Für eine Scheinehe nur wegen des Aufenthaltsrechts gibt es bei den beiden wirklich keine Anhaltspunkte.“

Schließlich kennt sie Ismael Grib, den 27jährigen Bräutigam, schon seit eineinhalb Jahren als festen Freund ihrer Schülerin. Sandrina geht in die zwölfte Klasse der Waldorfschule und ist im sechsten Monat schwanger. „Eine gemeinsame Wohnung“, sagt Lehrerin Mücke, „hatten die beiden in Osnabrück schon gefunden. Die sollte jetzt eingerichtet werden.“

Gisela Mücke und das gesamte Kollegium der Freien Waldorfschule haben jetzt einen offenen Brief an den Nidersächsischen Innenminister geschrieben und um Hilfe für die schwangere Schülerin und deren Bräutigam gebeten. Das Ausländer- und auch das Standesamt der Stadt Osnabrück versuchen derzeit, mit allen Mitteln eine Hochzeit des jungen Paares zu verhindern. Ismael Grib sitzt seit zwei Wochen in der Justizvollzugsanstalt Hannover in Abschiebehaft, weil er sich am vergangenen Mittwoch auf dem Flughafen Hannover Langenhagen nach Leibeskräften gegen den Lufttransport über Frankfurt nach Algier gewehrt hat. Deswegen ist er überhaupt noch in der Bundesrepublik.

Mit der Heirat würde der Flüchtling aus Algerien natürlich sofort das Aufenthaltsrecht für die Bundesrepublik erhalten. Doch nach Meinung des Osnabrücker Standesamtes kann die Ehe nur geschlossen werden, wenn der Bräutigam eine gültige Meldebescheinigung vorlegt. Die allerdings besitzt Ismael Grib nicht, da er eineinhalb Jahre illegal, unter einem falschen französischen Namen, in Osnabrück gelebt hat. „Wahrscheinlich würden wir einen Verwaltungsrechtsstreit um die Eheschließung am Ende gewinnen“, sagt sein Rechtsanwalt Andreas Neuhoff. Doch er fürchtet, daß der 27jährige Grib schon vor einer Entscheidung des Gerichts nach Algier ausgeflogen wird. Die Abschiebung sei auf kommenden Freitag terminiert worden.

Anwalt Neuhoff will nun einen zweiten Asylantrag für seinen Mandanten versuchen. Ismael Grib hatte sich in Algerien als Jugendlicher freiwillig zum Polizeidienst verpflichtet. Als er nicht mehr als Kriminalpolizist, sondern auch im Bürgerkrieg gegen die FIS eingesetzt werden sollte, desertierte er und floh über Frankreich in die Bundesrepublik. Nachdem sein Asylantrag abgelehnt wurde, besorgte er sich einen französischen Paß, mit dem er eineinhalb Jahre in Osnabrück lebte und arbeitete. Auf ihn aufmerksam wurde das Osnabrücker Ausländeramt erst, als seine Freundin beim Standesamt das Aufgebot bestellen wollte.

Nach Ansicht des Kollegiums der Waldorfschule ist der 27jährige Flüchtling bei einer Abschiebung nach Algerien „von Folter und Tod“ bedroht. „In Algerien droht Ismael als Deserteur die Verhaftung“, sagt Lehrerin Mücke, „und dann weiß niemand, wann sich die beiden jungen Leute wiedersehen werden.“

Die Stadt Osnabrück will keine Verantwortung für das Schicksal des jungen Paares übernehmen. Bei Entscheidungen nach dem Ausländerrecht habe eine Kommune keinerlei Spielräume, sondern sei gehalten, die gesetzlichen Vorgaben zu vollziehen, sagte ein Sprecher. Jürgen Voges