: Das Buch zum heiligen Joseph
■ Georg Jappes Erinnerungen und FAZ-Artikel jetzt in dem Buch „Beuys Packen“
Viel ist über Joseph Beuys geschrieben worden seit seinem Tod vor 11 Jahren. Es reizte natürlich zahlreiche Kunstwissenschaftler, Ausstellungsmacher und Kritiker, sich dem Mythos Beuys ausgiebig zu widmen. Muß also noch ein weiteres Beuys-Buch sein? Ja! Denn Georg Jappes Buch Beuys Packen ist anders. Es ist nicht nur von persönlichem Kontakt zum „heiligen Joseph“geprägt. Dem Autor geht es auch um Beuys' Mut für den Weg zur sozialen Plastik, den der Kunstkritiker Jappe selbst, als einer der ersten seiner Zunft, in Deutschlands deutschester Zeitung, der FAZ, vehement unterstützen wollte. Beuys' künstlerischer Anarchismus und sein erweiterter Kunstbegriff, der das Gestalten an die Stelle der Politik setzen wollte, sind weitere Schwerpunkte der Publikation.
Jappe, der seit 1978 Professor für Ästhetik an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg ist, zeichnet in Beuys Packen die allmähliche Veränderung in der öffentlichen Beuys-Rezeption kritisch bis wissenschaftlich nach. Als die Düsseldorfer Akademie wegen eines Streites zwischen Künstlerkollegen Immendorff, dem zu ihm solidarischen Beuys und der Hochschuldirektion geschlossen wurde und die Studenten mit Besetzung des Gebäudes protestierten, war Jappe dabei. Auch als Beuys zwischen den erhitzen Fronten vermittelte, stritt und debattierte der Kritiker mit. Und nachdem die Polizei das Gebäude wieder geräumt hatte, schrieb er unter der Überschrift „Quo vadis, Akademie?“in der FAZ vom 22.5.1969 nahezu bekennerhaft: „Im Augenblick, da die Städtische Kunsthalle Düsseldorf die bislang größte Ausstellung von Beuys zeigt ..., scheint ausgerechnet die Kunstakademie des Rheinlands nach provinzieller Ruhe zurückzustreben ... Durch diese Auseinandersetzung wird nun mehr denn je die Freiheit der Kunst in der Figur von Beuys symbolisiert.“
Das Buch gibt außerdem aufrichtige Einblicke in ursprüngliche sowie die redigierte Formen von Texten und skizziert die daraus folgenden Auseinandersetzungen. Dies ist fernab von jedem Populismus echte Information und deshalb auch ein zu lobendes, risikofreudiges verlegerisches Unterfangen von Lindinger + Schmid.
Georg Jappes persönliche Erfahrung mit Beuys arbeitet bei ihm konstruktiv gegen mißverständliche Mythenbildung. Der Autor stellt seine Erinnerungen gar in den Dienst einer Rettung des speziellen künstlerischen, eben Beuysschen Weges: „Aber warum das Risiko nicht machen?“(J. Beuys, Interview mit G. Jappe, 1976).
Dies gilt auch für einen weiteren sehr gelungenen Kunstband aus der Sammlung Klaus Steak, in dessen Zentrum Beuys' dadaistische Auseinandersetzung mit der DDR stehen. Diese Dokumentation persönlicher Kunst-Gaben von Beuys und Staek während ihrer 18jährigen Arbeitsfreundschaft tragen den wunderbaren Titel Mit dummen Fragen fängt jede Revolution an. Auch ein Beleg persönlicher Integrität, künstlerischer Wertschätzung und Weitsicht. Pti, Politically totaly incorrect. Es darf sich zumindest gefreut werden. Dann folgt hoffentlich homerisches Gelächter.
Gunnar F. Gerlach
Georg Jappe, „Beuys Packen – Dokumente 1968-1996“, Verlag Lindinger + Schmid, 36 Mark. Joseph Beuys, „Mit dummen Fragen fängt jede Revolution an“, Steidl Verlag, 1997, 48 Mark
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