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Schlechter als Sat.1

■ Wenn "Junge Wilde" auf Scorsese machen: "Unter die Haut" (20.15 Uhr, RTL2)

Im brandenburgischen Eberswalde geht das Leben seinen Gang: Der Pfarrer treibt es mit der minderjährigen Dorfjugend hinter der Kanzel, seine Frau poussiert S/M- artig mit einem angeschossenen Einwanderer aus Rußland, und durch das Dorf donnert allabendlich die Vereinigung notgeiler Treckerfahrer. Der Film fängt also ziemlich authentisch an.

Doch spätestens nach einer halben Stunde möchte man die zweite Staffel der RTL2-Reihe „Die Jungen Wilden“ (die 1995 mit „Der Sandmann“ reüssierte) umbenennen: „Wenn junge wilde Regisseure zu oft ins Kino gehen“ wäre weitaus treffender. Denn von dort haben sich die Autoren des Openers „Unter die Haut" ihre Anleihen mitgebracht, darunter einen Tankstellenmord von Scorsese, Polanskis leere Wiege und einen glatzköpfigen Osteuropäer, der direkt aus Andrei Tarkowskis Skizzenbuch zu stammen scheint.

So viele Zitate muß man natürlich erst einmal unterbringen, weswegen die Abstrusität des Plots linear zur Verwurstung der großen Vorbilder steigt. Am Ende ist es dann naturgemäß ziemlich egal, wer die Tankstelle ausgeraubt, das Mädchen in Frischhaltefolie gepackt und Katharina Thalbach für die Rolle der nymphomanen Feuerwehrfrau fehlbesetzt hat.

Der Overkill kopierter Ideen setzt sich auch noch in den marginalsten Rollen fort, die allesamt schwer auf kauzige Originalität getrimmt sind: „Vielleicht ist unser Täter ja ein Psychopath – so einer geht nicht logisch vor“, brummelt die ständig Kuchen und Pizza vertilgende Kommissarin, die bei den Ermittlungen natürlich völlig überflüssig ist. Zwei Erkenntnisse bleiben aber doch: Erstens reproduziert sich der deutsche Film inzwischen selbst. Als Beweis vögelt sich die von Bojana Golenac gespielte Pfarrersfrau als eine Art Veronica- Ferres-Klon durch die hanebüchene Geschichte. Zweitens ist es anscheinend doch möglich, noch schlechtere Filme als die German Classics auf Sat.1 zu machen. Oliver Gehrs

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