: Crommes Frontalangriff gescheitert
■ Krupp-Hoesch und Thyssen: Übernahme endgültig vom Tisch, Fusionsverhandlungen laufen. Thyssen wird bei Stahl die Führung übernehmen. Arbeiter rücken heute in Frankfurt an, um gegen die Banken zu demonstrieren
Frankfurt/Main (taz) – Überraschung gestern abend von dem vielzitierten „geheimgehaltenen Ort“, an dem über die Zukunft von Zehntausenden Stahlarbeitern bei Krupp-Hoesch und Thyssen beraten wurde: Die beiden Konzernherren Gerhard Cromme (Krupp-Hoesch) und Dieter Vogel (Thyssen) schlossen Frieden. Ob durch die unerwartet starken Proteste gegen die Banken begründet oder ganz einfach durch betriebswirtschaftliche Einsicht: Krupp-Hoesch und Thyssen sind sich nach eigenen Angaben plötzlich weitgehend einig. Krupp erklärte in Essen, das angekündigte Übernahmeangebot für die Thyssen-Aktien sei gegenstandslos. Die beiden Konzerne prüfen nun die Möglichkeit einer friedlichen Zusammenarbeit sogar über den Stahlbereich hinaus. In der gemeinsamen Stahlgesellschaft wird die Thyssen AG nach eigenen Angaben die Führung übernehmen, weil die Thyssen Stahl AG „vom Volumen her größer und auch ertragreicher“ sei als die Krupp- Konkurrenz.
Die Thyssen AG hatte gestern noch vor 20 Milliarden Mark Gesamtschulden bei einer feindlichen Übernahme durch Krupp-Hoesch gewarnt – durch das teure Angebot von Krupp für die Thyssen-Aktien wäre eine etwaige Krupp-Thyssen AG also viel stärker verschuldet gewesen als derzeit die beiden Einzelunternehmen. Diese Schulden hätten dann auf dem Rücken der Beschäftigten wiederabgebaut werden müssen. Und das konnte wohl keiner der Beteiligten weder der Industrie noch den empörten Belegschaften als weitsichtige Standortplanung verkaufen. Für die Arbeitsplätze der Stahlkocher und anderer Bereiche bei den beiden Unternehmen bedeutet das noch keine Entwarnung. Denn auch bei einer Zusammenarbeit werden Stellen abgebaut.
Mit am Verhandlungstisch sitzt seit Sonntag auch der nordrhein-westfälische IG-Metall-Bezirksleiter Harald Schartau. Die IG Metall werde auf eine verbindliche Erklärung der Unternehmen dringen, betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen, so Schartau gestern im ZDF.
Fünf vor zwölf wird es heute rundgehen auf dem Frankfurter Opernplatz: Dann wälzt sich die „Stahlwalze“ aus 30.000 bis 50.000 wütenden Thyssen-Leuten vor die Zwillingstürme der Deutschen Bank. Sie protestieren gegen die Unterstützung der Deutschen und der Dresdner Bank beim Versuch von Krupp-Hoesch, die Thyssen AG in Düsseldorf aufzukaufen. Verhältnisse wie in Bonn, als aufgebrachte Kohlekumpel die Bannmeile durchbrachen, erwartet die Polizei für Frankfurt allerdings nicht. rem/kpk Tagesthema Seite 3
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