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„Hey! Wer sind diese Leute?“

Die Nacht der Independents: Alle Neune für „Der Englische Patient“, Oscars für „Fargo“ und „Shine“. Larry Flynt mußte leider draußen bleiben. Man trug Fleischfarbenes. Gesamthochschule Kassel rules okay!  ■ Von Mariam Niroumand

Sehr witzig! Billie Crystal, der diesmal wieder nach den mißglückten Intermezzi mit Whoopi Goldberg und David Letterman die Oscar-Zeremonie leitete, rief beim Anblick einiger Nominierter: „Hey! Wer sind diese Leute?“ Die Bemerkung wurde von den Rängen nur mit einem eher gequälten Lächeln goutiert. Wie erwartet war dies die große Nacht der Independents: Ein Dutzend Oscars für „Der englische Patient“, „Fargo“ und „Shine“, darunter die sechs begehrtesten – aber dann wieder war auch allen klar, daß der Triumph so unabhängig, der Schock für die alten Studios so groß nun auch wieder nicht gewesen ist. Miramax zum Beispiel, das unabhängige Studio, das „Der englische Patient“ mitproduziert hat, ist längst eine Disney-Tochter, und Harvey Weinstein, einer der Chefs, ist eher schon ein Mogul im klassischen Stil von Louis B. Mayer und Harry Cohn (was wahrscheinlich der Grund für die Aura von Schrecken und Respekt ist, die ihn umgibt). Weinstein hatte sich nicht nur für „Der englische Patient“, das Wüstenmelodram aus dem Zweiten Weltkrieg, heftig eingesetzt, sondern beim Sundance-Festival auch für „Shine“, das Porträt des Pianisten David Helfgott, das dann schließlich von der Firma New Line gekauft wurde (Disney hat die meisten Rechte für den Verleih in Übersee).

Die Spannung wich aus dem wohl ohnehin etwas flau verlaufenden Abend spätestens mit der dritten Nominierung, als nämlich „Der englische Patient“ den Oscar für die besten Kostüme gewann. Von da ab war klar, die Mitglieder der Academy liebten diesen Film und wollten ihre Liebe auch zeigen: Es folgten die Oscars für Kamera, Schnitt, Bauten, Ton, Originalmusik und – zur allgemeinen Überraschung – beste Nebendarstellerin. Juliette Binoche, die in dem Film eine aufopferungsvolle Krankenschwester spielt, hatte immerhin gegen echte Hollywood-Grandezza in der Person von Lauren Bacall anzutreten. Schließlich noch der Oscar für den besten Film. Eine Ehrenanhäufung in dieser Opulenz war zuletzt Bertoluccis „Der letzte Kaiser“ zuteil geworden. Frances McDormand bekam, was ihr nun mal zusteht für ihre Rolle der schwangeren Polizistin in „Fargo“, und dankte aufs niedlichste ihrem Mann Joel Coen für seine Regie. Bester Hauptdarsteller wurde Geoffrey Rush als Pianist in „Shine“, der immerhin monatelang wirres Sprechen geübt hatte.

Modemäßig soll es zu massiertem Auftreten häßlicher fleischfarbener, praktisch Nackheit suggerierender Kleider gekommen sein.

Großes Hallo in Deutschland: Das Special-effects-Team um Volker Engel von der Gesamthochschule Kassel wurde für die Arbeit an „Independence Day“ ausgezeichnet (und gleich von der Landesregierung bedankt), und der beste Animationskurzfilm wurde „Quest“, eine Endlosreise auf tausend glühenden Plateaus, von Thomas Stellmach und Tyron Montgomery. Große Freude herrscht auch in Prag über den Oscar für den besten nichtenglischsprachigen Film: Er ging an die in der Tschechischen Republik schon lange mit ungeheurem Erfolg laufende Tragikomödie „Kolya“, in der der einstmals ängstigende Russe endlich als krankes kleines Kind ins Herz geschlossen wird.

Über der Zeremonie kreiste wie ein Pleitegeier ein Flugzeug mit dem Banner „Columbia Studios Sucks – Larry Flynt“. Hustler-Herausgeber Flynt war zur Party nicht geladen. Flugs schoß ein anderes Flugzeug herbei, auf dem darauf hingewiesen wurde, daß Hollywood in Hawaii Statisten für 30 Cents die Stunde beschäftigt. Zu ebener Erde protestierte Jesse Jackson dagegen, daß so wenige „Menschen von Farbe“ in Hollywood beschäftigt werden.

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