■ Gestern schoben die Bundesländer Bayern und Berlin eine zweite Gruppe bosnischer Flüchtlinge nach Sarajevo ab. Die meisten der Betroffenen stammen aus der selbsternannten Republik Srpska, in ihre Heimatorte können sie nicht zurück: Verfrac
Gestern schoben die Bundesländer Bayern und Berlin eine zweite Gruppe bosnischer Flüchtlinge nach Sarajevo ab.
Die meisten der Betroffenen stammen aus der selbsternannten Republik Srpska, in ihre Heimatorte können sie nicht zurück
Verfrachtet in die Ungewißheit
Wieder dieses Versteckspiel. Wie schon bei der ersten bayerischen Abschiebung im Dezember 96 verweigerte das Innenministerium sämtliche Informationen, bis alle abzuschiebenden Bosnier im Flugzeug untergebracht waren. Wieder lief die Abschiebung an einem unzugänglichen Teil des Münchner Flughafens, und wieder hatten Journalisten und Oppositionspolitiker keine Chance, ein Wort mit den Flüchtlingen zu wechseln. Bloß keine telegenen Bilder von menschlichem Leid – das schien das Motto des regieführenden Ministeriums zu sein.
Die fürs TV geeigneten Bilder lieferte Günther Beckstein (CSU) dann bei seiner Pressekonferenz, die nichts von den Umständen der Abschiebung spüren ließ, sondern einer Leistungsbilanz glich: Flugzeugstart etwa um halb zwölf Uhr vormittags. 41 Bosnier abgeschoben, davon 5 aus Berlin, der Rest aus Bayern. 12 Straftäter weniger im Land, 24 Sozialhilfeempfänger hinausgeschafft. Die Botschaft von Becksteins Statistik war klar: Wieder wurden nur jene Bosnier abgeschoben, die es eh nicht anders verdienen, weil sie entweder dem Steuerzahler zur Last fallen oder gegen Gesetze verstoßen.
Die wenigen Fakten, die bisher von manchen Flüchtlingen bekannt sind, sprechen eine andere Sprache. So wurde gestern die bosnische Familie Hrustić abgeschoben, die seit einiger Zeit in Zirndorf lebte. Vater und Tochter hatten vor kurzem einen Job, bis die Ausländerbehörde die Duldung widerrief. Automatisch wurde ihnen die Arbeitserlaubnis entzogen, so daß sie Sozialhilfe beantragen mußten. Und das war dann der Grund für die Ausweisung. „Mit solchen Beispielen will man den anderen Flüchtlingen zeigen, daß jeder der nächste sein kann“, sagt der Betreuer Erwin Bartsch.
Daß das nur eingeschränkt funktioniert, läßt sich an der Statistik der Internationalen Organisation für Migration (IOM) ablesen. Diese Institution verteilt im Auftrag der Bundesregierung die finanzielle Unterstützung für rückkehrwillige Bosnier. Interessanterweise kommen in diesen Tagen nicht überdurchschnittlich viele Anträge aus Bayern, sondern deutlich weniger als aus Nordrhein-Westfalen: Knapp 700 Anträge aus Bayern hat die IOM bis letzte Woche erhalten. Aus NRW dagegen 2.200 Anträge, obwohl in beiden Bundesländern etwa gleich viele Flüchtlinge leben.
Der Leiter der IOM, Karl Beck, führt das auf die unterschiedlichen politischen Ziele zurück: „In NRW, aber auch in Hamburg und Baden-Württemberg, wurde sehr früh festgelegt, daß die freiwillige Rückkehr betont wird. Deshalb wurde das Personal der Behörden ausgebildet, den Flüchtlingen zu helfen. Und die Flüchtlinge wurden flächendeckend über die Hilfsangebote informiert.“ Dem bayerischen Innenministerium scheint daran wenig zu liegen. Felix Berth, München
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen