: Untergangsstimmung am IWF
■ Dem Institut für den wissenschaftlichen Film in Göttingen droht das Aus. Doch wie unabhängig waren die Gutachter?
Von den Einsparungen im Bildungsbereich ist auch das Institut für den wissenschaftlichen Film in Göttingen (IWF) nicht verschont geblieben. Das wurde noch hingenommen. Vergangene Woche jedoch trieben Untergangsstimmung und eine gehörige Portion Zorn die MitarbeiterInnen des IWF auf die Straße – denn jetzt droht dem weltweit renommierten Institut und seinen 120 MitarbeiterInnen das Aus. Und dabei scheint nicht alles mit rechten Dingen zugegangen zu sein. Doch der Reihe nach.
Im Sommer 1996 wurde dem Institut vom Wissenschaftsrat nahegelegt, ein Modernisierungsprogramm zu erstellen. Der Bund plane nämlich, seine jährliche Unterstützung von sieben Millionen Mark einzustellen. Daraufhin legte das IWF ein Konzept vor, an dessen Umsetzung inzwischen bereits gearbeitet wird. Anstelle von Einzelprojekten will man verstärkt auf interdisziplinäre Projektfelder setzen und mit technischer Aufrüstung der digitalen Herausforderung begegnen.
Dieses Konzept ist jetzt im Auftrag der Landesregierung begutachtet worden. Das Ergebnis: negativ. Die Gutachter erkannten „keine hinreichend belastbare Grundlage, auf die sich eine Zukunftsentscheidung zur Fortführung des Instituts im vorgeschlagenen Umfang gründen ließe“. Koordination und Kooperation könne das IWF vielleicht noch leisten, auf die Produktion wissenschaftlicher Filme müsse es jedoch in der Zukunft verzichten. Eine Position, die im IWF auf blankes Unverständnis und Zorn stößt. Schließlich ist die Produktion wissenschaftlicher Filme das Herzstück des Instituts. Im Prinzip funktioniert das IWF wie eine öffentliche Bibliothek, die ein gut Teil ihrer Bücher selbst schreibt. Doch das Institut hat nicht nur eine Servicefunktion für WissenschaftlerInnen und StudentInnen. Die Computertechnik- und Graphikabteilung können von diesen auch genutzt werden, um an eigenen Filmen zu arbeiten. Thomas Stellmach hat hier zum Beispiel an seinen Filmen gebastelt: Letzten Montag wurde ihm für seinen Kurzfilm „Quest“ der Oscar überreicht.
Inzwischen sind massive Zweifel an der Unabhängigkeit und Unbefangenheit der Gutachter aufgetaucht. So verweisen Hartmut F. Grübel vom Innovationszentrum Berlin und Dr. Jan Kantowsky von der Bertelsmann AG in ihrem Gutachten unverblümt auf andere Firmen, die die Rolle des IWF in der Produktion wissenschaftlicher Medien übernehmen könnten. Interessanterweise handelt es sich dabei größtenteils um Firmen, in deren Umfeld die Gutachter selber tätig sind. So unter anderem das im Aufbau befindliche High Tech Center Babelsberg, an dem die Bertelsmann AG mit 23 Prozent beteiligt ist.
Ein weiterer Mitarbeiter des Gutachtens war Geschäftsführer der Technologie-Vermittlungs- Agentur Berlin e.V., bis man sich dort aus unerfindlichen Gründen von ihm trennen mußte.
Sachkundigen Rat erhielten die Gutachter auch von dem Leiter des Audiovisuellen Zentrums der Technischen Universität (TU) Berlin. Dieser hat das IWF allerdings erst nach seinem Beitrag zum Gutachten das erste Mal besucht. Dort soll er sich „überrascht und beeindruckt“ über die technische Ausstattung und die vorhandene Kompetenz geäußert haben. Kein Wunder – das Audiovisuelle Zentrum der TU Berlin wird von ihm ganz allein betrieben.
Für das IWF ist nicht nur die Sachgerechtigkeit des Gutachtens fragwürdig. Wegen der massiven Interessenverflechtung befürchtet man sogar, daß die Bertelsmann AG sich die 7.000 wissenschaftlichen Titel des IWF unter den Nagel reißen will. Schließlich wolle Bertelsmann in Zukunft verstärkt „Edutainment“ betreiben. Eine „Servicefunktion für die Wissenschaft“, wie sie das IWF betreibt, wird es bei Bertelsmann wohl nicht geben.
Unterstützung erhielten die DemonstrantInnen von zahlreichen VertreterInnen der Stadt Göttingen, der Universität Göttingen und der Lokalpolitik. Schließlich stehen Arbeitsplätze und wissenschaftliches Renommee auf dem Spiel. Tenor: „Gäbe es das IWF nicht, müßte man es erfinden.“ Eine erste Entscheidung über den Fortbestand des Instituts soll im Juni im Unterausschuß der Bund- Länder-Kommission erfolgen. Bis dahin hat das IWF bestimmt auch das Gutachten bezahlt. Die Rechnung hat man nämlich schon bekommen: von der Firma Bertelsmann. Udo Angerstein
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