■ Querspalte: Lehrpfad Che Guevara
„Und wenn Sie jetzt bitte nach oben sehen wollen, siebter Stock, ja, da, das Fenster ziemlich in der Mitte, das ist die Zelle 719, da wurde sie am Morgen des 9. Mai 1976 erhängt aufgefunden. Damit wären wir am Ende unserer Tour ,Ulrike Meinhof‘. Ich hoffe, es hat Ihnen ein wenig gefallen. Vielleicht sehen wir uns ja wieder bei der Übung für Fortgeschrittene ,Das Terrorjahr 77 an Originalschauplätzen‘.“ Klatschen. Murmeln. Schwäbischer Nieselregen.
Aber noch gibt es ihn ja nicht, den „Lehrpfad Ulrike Meinhof“. Von Oldenburg über Sylt nach Stammheim, der Lebensweg einer deutschen Frau. Wäre eine schöne Idee und hielte die Leute im Lande.
Vorläufig müssen sie dafür noch last minute ins Ausland reisen: In Bolivien wurde eben ein „Waldlehrpfad Che Guevara“ eingerichtet. 800 Kilometer über Stock und Stein und das survival kit mit dabei im Lunchpaket. Wem es ernst ist mit der Revolution, der bucht den Trip für sechs statt bloß für drei Tage, besucht ehemalige Trainingscamps und steigt ab in die Schluchten, in denen die Guerilleros sich versteckten.
Sherpas werden natürlich gestellt für das größere Gepäck, und abends am Lagerfeuer kochen sie einem auch den berühmten Revolutionseintopf. Auf Wunsch erkämpft anschließend die Internationale das Menschenrecht mit Gitarrenuntermalung. Schafft zwei, drei, viele solcher Waldlehrpfade!
Tagsüber ist Gelegenheit zum Einkauf auf einheimischen Märkten. Wer will (fakultativ), kann den einen oder anderen Seufzer über die blöden Campesinos ausstoßen, die Che Guevara damals ums Verrecken nicht verstehen wollten und heute ausgerechnet Coca-Cola verkaufen. Zu Seilbahnpreisen! Aber so eine Revolution macht ganz schön durstig.
In Higuera war es vorbei mit dem Comandante Che Guevara, da schlugen ihn die Häscher in Banden und brachten ihn dann um. Dort endet auch unsere kleine Tour. Hoffentlich hat es Ihnen ein bißchen gefallen. Willi Winkler
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