■ Vorschlag: The Oblivians in der Volksbühne
Man mag sich das heutzutage gar nicht mehr vorstellen, aber es gab mal eine Zeit, da war Männern ihre Lederjacke wichtiger als ihr Schulabschluß. Es war eine finstere Epoche damals, aber sie ist vorbei, weshalb man jetzt wieder gern Filme mit Marlon Brando oder James Dean guckt, ohne gleich selbst so hirnrissig jugendlich sein zu müssen. Aber nicht jeder hat das vollständig überwunden: so die Oblivians, ein Trio aus Memphis, Tennessee, das sich ganz ramonesmäßig zusammensetzt aus den drei angeblichen Brüdern Jack, Eric und Greg Oblivian. Ihr Universum besteht aus Sonnenbrillen, krachenden Verstärkern, grundlosem Rebellentum, Gucklöchern zur Mädchenduschkabine, Musikläden, Fummeln im Autokino, fetttriefendem Fast food und der ersten Platte von Trio. Ja, richtig gelesen: Trio. Die Oblivians haben „Sunday You Need Love“ oder „Ja Ja Ja“ gecovert und verehren die NdW-Kapelle heiß und innig.
Tatsächlich haben wir es hier mit genialem Dilettantentum, wenn auch in der uramerikanischen Garagenvariante, zu tun. Die drei wechseln sich demokratisch mit Gitarre, Schlagzeug und Gesang ab, ohne irgend etwas davon richtig zu beherrschen. Auf den Baß verzichten sie gleich ganz, „das übernimmt die Bassdrum mit“, heißt es lapidar. Dafür mögen sie auf kaum einen Rock-'n'-Roll-Stil verzichten, ob nun Swamprock, Blues oder 76er Punkrock. Trotz aller technischen Unzulänglichkeiten grooven die Oblivians komischerweise sogar ein wenig.
Allerdings tun sie erst gar nicht so, als könnten sie Musik und Stil der verehrten Fifties rekonstruieren, wie das früher die Cramps einmal versuchten, sondern implantieren ziemlich umpassend eine völlig aus der Mode gekommene Geisteshaltung in die Jetztzeit. Wenn sie ein Liebeslied schreiben, heißt das „And Then I Fucked Her“ oder auch „She's A Hole“. Nun kann man den drei Herren aber getrost unterstellen, daß ihr Sexismus auch nur ein Teil der Inszenierung ist. Die Oblivians sind zeitgleich und durchaus ambivalent sowohl Reminiszenz an als auch Satire auf die 50er. Was den Intellektuellen an Jon Spencers Blues Explosion oder auch an den Country Teasers gefällt, ist bei den Oblivians ebenfalls vorhanden, nur auf einer archaischen Ebene: Zuerst haben wir mal unseren Spaß, dann machen wir uns Gedanken, was wir dabei anrichten. Das mag bedenklich klingen, ist aber größtenteils harmlos, und zeitigt vor allem Ergebnisse, die in ihrer Gewalttätigkeit, Schrammeligkeit, ja Bösartigkeit ihresgleichen suchen. Thomas Winkler
1. 4., 22 Uhr, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte
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