: Das City-Konzept löst sich in Abgas auf
■ Umweltverwaltung wirft Verkehrsplanern „Sabotage am Innenstadtkonzept“ vor: Gleiche Plaketten für „saubere“ und „dreckige“ Lkws. Verkehrsverwaltung: Bundesrecht erfordert Einheitsplakette
Die Verkehrsverwaltung betreibt „Sabotage am Innenstadtkonzept des Senats“, weil sie eine unterschiedliche Kennzeichnung von abgasarmen und abgasreichen Lkws verhindert. Diesen Vorwurf erhebt die Umweltverwaltung intern gegen die Planer von Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU).
Ohne eine differenzierte Kennzeichnung „dreckiger“ und „sauberer“ Lkws durch verschiedene Plaketten „fehlt die Voraussetzung zur Umsetzung des wichtigsten Bestandteils der Innenstadtregelung“, heißt es in einer Mitteilung. „Damit kann das Innenstadtkonzept in der vom Senat beschlossenen Form nur teilweise umgesetzt werden. Die Schadstoffminderungen werden marginal ausfallen.“
1994 entschied der Senat, die Innenstadt wegen der Luftbelastung durch Benzol und Dieselruß aus den Auspufftöpfen von Pkws und Lkws von ebendiesen „Stinkern“ zu befreien: Ab 1. Juli 98 sollen nur noch „saubere“ Pkws und ab 1. Januar 2000 nur noch „saubere“ Lkws in der City fahren dürfen. Besonders um die Lkws dreht sich der Streit. Denn bisher ist unklar, wann die „schadstoffarmen“ Lkws nach der „Euro-Norm II“ oder die schadstoffreicheren nach „Euro- Norm I“ vom Verbot ausgenommen sind. Das Ozongesetz, dessen Bestimmungen größtenteils auf die Pkws angewandt werden, fällt dafür weg: Es läuft am 31. Dezember 1999 aus.
Die Umweltverwaltung befürchtet ein Chaos: „Ohne deutliche Kennzeichnung der Lkws, die für den Großteil der krebserregenden Rußpartikel in der Luft verantwortlich sind, wird eine Überwachung des Fahrverbots unmöglich“, meint Hermann Blümel, Verkehrsexperte der Umweltverwaltung. Er schlägt vor, für das Innenstadtkonzept den „sauberen“ Autos eine orange und den „dreckigen“ eine weiße Plakette anzukleben. Doch die Produktion dieser verschiedenen Plaketten hat die Verkehrsverwaltung gerade gestoppt. In Zukunft werde es nur noch orange Plaketten geben, bestätigt die Leiterin des Kfz-Verkehrsamts, Hannelore Wetzel. Die Verkehrsverwaltung sieht darin kein Problem: In der Antwort auf eine kleine Anfrage des bündnisgrünen Umweltpolitikers Hartwig Berger schreibt sie: „Das geltende Recht läßt eine für die Überwachung ausreichende Differenzierung zwischen den vom Verbot betroffenen und den vom Verbot freigestellten Kraftfahrzeugen zu.“ Dem widerspricht Wetzel: „Eine Unterscheidung zwischen der Euro-Norm I und der Euro-Norm II ist mit den neuen Plaketten nicht mehr möglich.“
Berlin könne bei den Plaketten keinen Sonderweg gehen, erklärt Karl-Heinz Winter von der Verkehrsverwaltung die Einheitsplakette. Die Bundesregelung sehe ein einheitliches Verkehrszeichen für die Befreiung vom Ozon-Fahrverbot nur für die orange Plakette vor, also könne es nur diese Kennzeichnung geben. Das Fahrverbot für die Innenstadt gelte nach den Kriterien des Ozongesetzes: Wer bei Ozonalarm fahren darf, gilt auch laut Innenstadtkonzept als „sauber“ und darf sich in der City frei bewegen. Der Haken daran: Dieselmotoren kommen dabei gut weg, weil ihr Ruß keine Vorläufersubstanz für den Ozonsmog ist – aber dennoch zu Luftverschmutzung und Krebs beiträgt. „Ab 2000 wird es ohnehin entweder eine Fortschreibung des Ozongesetzes oder eine Regelung für die Lkws geben“, meint Winter. Dem würde man mit einer unterschiedlichen Plakettierung jetzt nur vorgreifen.
Die Umweltverwaltung dagegen warnt vor einer Verschiebung des Zeitplans: „Wenn wir jetzt nicht mit der Kennzeichnung anfangen, halten wir das Datum 2000 nicht ein, und das Innenstadtkonzept hängt in der Luft“, meint Hermann Blümel. Es bestehe „dringender Handlungsbedarf“, weil spätestens in einem Jahr mit den Ergebnissen der Luftmessungen viele Klagen von Anwohnern gegen den Lkw-Ruß und für Straßensperrungen erwartet werden: „Dann stehen wir mit leeren Händen da und können nicht einmal auf eine Besserung ab 2000 verweisen, weil es keine erkennbaren Maßnahmen gibt“, meint Blümel. Bernhard Pötter
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