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Mann macht sich zum Männchen

Fröhlicher Frauenhaß, trauriger Männertraum: Detlef Buck inszeniert Strindbergs Komödie „Die Kameraden“ am Bochumer Schauspielhaus als eine Sammlung konventioneller Gags – aber aus einer ironischen Distanz gespielt  ■ Von Gerhard Preußer

Die Frau als Affe des Mannes. Das ist doch was zum Lachen. Eine Frau, die ihren Mann beherrschen will, das ist Komödienstoff. War es für Strindberg, 1887.

Der Mann als Affe der Frau. Das ist doch was zum Lachen. Ein Mann, der seine Frau beherrschen will, das ist Komödienstoff. Ist es für Detlef Buck und Leander Haußmann, 1997.

Strindberg irrte, als er meinte, mit „Kameraden“ eine Komödie geschrieben zu haben. Die Geschichte von einem Malerehepaar, das sich mit seinen Bildern gegenseitig Konkurrenz macht, wurde zwar sein einziger Kassenerfolg zu Lebzeiten in Deutschland. Komödiantisch verkleidete Frauenfeindschaft ließ sich damals eben gut verkaufen. Die Kritik aber reagierte indigniert und nannte es eine flache Tragödie.

Strindberg meinte wahrscheinlich, das Stück sei Komödie, weil er meinte, es habe ein Happy-End. Der Maler verläßt seine Frau, das gemeine Scheusal, und die Idee der Kameradschaftsehe ist widerlegt. Frau gedemütigt, Mann gerechtfertigt – Ende gut, alles gut.

Aber Strindbergs Frauenhaß ist zu sehr Frauenangst, als daß sein Spott wirklich spaßig wäre. Und für eine Tragödie über den Urkrieg der Geschlechter sind die Anlässe zu nickelig. Der Filmemacher Detlef Buck („Männerpension“) inszeniert in seinem Bochumer Bühnendebüt die Komödie, nichts als Komödie. Dazu darf man nicht die Frau aufwerten, wie das wohl in den Achtzigern bei einem der seltenen Wiederbelebungsversuche des Stücks gemacht wurde, sondern muß den Mann abwerten. So wird's heute eine echte Lachnummer. Vielleicht sogar mit therapeutischem Wiedererkennungseffekt.

Gespielt wird in einer ironisch- distanzierten Zeigehaltung. Seht her, wir spielen Komödie. Kein Gag ist zu konventionell, aber die Distanz bewahrt vor dem Absturz in die Banalität. Besonders gelingt dies dem Darsteller einer Nebenrolle: Leander Haußmann spielt den Leutnant Starck als einfältigen polternden Komißkopp, aber mit einem Lächeln auf den Lippen, das nicht das des Leutnants ist, sondern das des Intendanten – seht her, das bin ich, das kann ich auch.

In ihrem Element ist hier Anne Tismer. Sie spielt die dreisten Lügen Berthas, der Malerin, mit kühler Nonchalance. Wenn ihr Mann sie nach dem Schlüssel zum Safe fragt, weil er ihr nachweisen will, daß sie die Einnahmen vom Verkauf eines ihrer Bilder nicht im Haushaltsbuch eingetragen hat, behauptet sie frech, sie habe ihn verloren. Sie heuchelt nur der Form nach. Sie gibt sich keine Mühe, ihn davon zu überzeugen, sie sage die Wahrheit. Sie fordert ihn heraus, zu behaupten, sie lüge. Daß er diese Demütigung nicht wagt, ist ihr eigentlicher Triumph.

Steffen Schult, ihr Mann Axel, ist eher ein Faktotum als ein Herrenmensch. Klein, mit verzweifeltem Hundeblick, nimmt er die Frechheiten seiner Frau hin. Und als er sich dann nach einer Zirkusreifen-Catch-as-catch-can-Kampfszene doch als der physisch Stärkere erweist, bleibt immer deutlich, dieser Sieg verschiebt nur vorübergehend die Gewichte. Bertha kriecht wieder zu ihm und hängt sich nun an ihn. Diese Demonstration hündischer Liebe ist der einzige Moment, in dem sie die Sympathie des Zuschauers verliert. Hier lacht man nicht mehr (gegen Strindberg) über die Dummheit des Mannes, sondern auch (mit Strindberg) über die Einfältigkeit der Frau. Am Ende, nachdem enthüllt wurde, daß nicht Axels Bild von der Jury abgelehnt worden war, sondern das Bild Berthas, das er großzügigerweise unter seinem Namen eingereicht hatte, um ihr den Erfolg zu erleichtern, während sein Bild unter ihrem Namen angenommen wurde, verläßt Axel Bertha zunächst. (Hier wie an anderen Stellen integriert die Inszenierung Material aus einer frühen, fünfaktigen Fassung des Stücks.) Dann kehrt er unentschlossen zurück, deklariert Trennung von Tisch und Bett, greift schließlich zur Pistole. Er fuchtelt damit furchterregend herum, brüllt: „Da sind Kugeln drin.“ Richtet die Pistole auf Bertha, dann auf sich. Drückt mehrmals ab. Nichts geschieht. In der Bühnenmitte: ein verzweifelt drohender, kraftloser Gnom im Frack, ein polternder Pinguin, ein Mann, ein Männchen.

Als Männertrost gibt's noch ein Schlußbild: den Traum vom Paar, eng umschlungen tanzend, im milden Dämmerlicht. Dann muß das Publikum arbeiten: Klatschen ist Pflicht. Mit Lautsprecheransage für jeden sich verbeugenden Schauspieler und Klatschmarschmusik wird Applaus gemolken. Wir machen hier in Komödie, und dazu gehört Jubel, verdammt noch mal.

August Strindberg: „Die Kameraden“. Schauspielhaus Bochum. Regie: D. W. Buck. Bühne: Alex Harb. Mit Steffen Schult, Annes Tismer, Traute Hoess, Leander Haußmann, Tana Schanzara. Weitere Vorstellungen: am 5., 11., 19., 29. 4.

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