■ Querspalte: Vergnügt euch, Bürger!
Was ist das für ein Land, in dem das Vergnügen besteuert wird? Eine „Vergnügungssteuer“ kann es doch nur in Deutschland geben.
Völlig undeutsch ist dagegen der unsystematische Umgang mit dieser Steuer. Meist entscheiden die Gemeinden, was besteuert werden darf. Tanzveranstaltungen, Kino, Theater, Geldspielgeräte. Was in Gemeinde A als Vergnügen gilt, kann schon hinter dem nächsten Hügel steuerfrei sein.
Und was ist mit all den Vergnügungen, denen wir in unseren eigenen vier Wänden nachhängen? Schlafen, Beischlafen und vor allem das Weiterschlafen, wenn der Wecker klingelt. Mit etwas Phantasie könnten die Behörden da noch einiges besteuern, um die öffentliche Finanznot zu lindern.
Fragt sich bloß, wie die Steuer dann eingezogen würde? Beim Groschengrab ist ja alles ganz einfach. Hier zahlt der Betreiber monatlich den Obulus, was, am Rande bemerkt, ja auch angemessen ist. Schließlich hat er auch das Vergnügen der Geldeinnahme und nicht der arme Spieler. Wie aber den Schläfer besteuern? Muß künftig beim Kauf eines Bettes, eines Kissens oder beim Reinigen der Daunendecke stets Vergnügungssteuer bezahlt werden? Muß ich künftig in der Steuererklärung deklarieren: „Jawohl, ich habe im letzten Jahr 27mal den Wecker abgestellt und dann voll Vergnügen und entspannt weitergeschlafen.“
Wir werden sehen, welches Modell sich durchsetzt. Wahrscheinlich keines. Denn den Schlaf zu besteuern, hieße ja, ihn öffentlich zum Vergnügen zu erklären. Dieses Risiko wird in unserem arbeitsamen Land wohl kaum ein politisch Verantwortlicher eingehen. Uns könnten glatt die Augen geöffnet werden.
Die größte „Vergnügungssteuer“ ist ohnehin die Einkommensteuer. Das ist konsequent: Weil sich Arbeit für uns gemütsmäßig immer auszahlt, wird sie auch entsprechend besteuert. Und wehe, uns werden die Steuersätze gesenkt, das wäre eine echte Mißachtung unseres Vergnügens. Christian Rath
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