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„Mensch, der Junge kam mit 12“

■ 15jähriger Kurde sollte vor Abschiebung in Haft und ist jetzt untergetaucht / Jugend-betreuerInnen empört/ Ausländeramt: Keine Chance auf Gnade

Die Belegschaft im St. Theresienhaus ist in Aufruhr, seit das kirchliche Jugendwohnheim letzte Woche Ort einer nicht alltäglichen Aktion wurde. Am Montag früh hatten zwei Polizeibeamte, eine Frau und ein Mann, einen 15jährigen Jugendlichen aus dem Bett geholt, um ihn in Haft zu nehmen. Der Flug nach Istanbul war für zwei Tage später gebucht: Abschiebung.

Der Richter lehnte die Haft für den ausreisepflichtigen Minderjährigen zwar ab. „Der Junge war ja schließlich in behördlicher Obhut im Heim, da sah ich keinen Haftgrund.“Im Bremen-Norder Haus aber gehen die Uhren seitdem anders: „Die anderen Jugendlichen aus der Türkei und Äthiopien machen sich rar“, sagt Betreuerin Claudia Paliwoda. „Die haben Angst.“

Aus Sicht der Pädagogin ist das kein Wunder: „Für uns war die Aktion des Ausländeramts wie ein Überfall. Wir sind doch davon ausgegangen, daß für Ramazan noch ein Verfahren bei Gericht läuft. Aber bevor wir wußten, daß das abgelehnt wurde, stand die Polizei schon da und wollte ihn mitnehmen.“Auch Ulrich Kenkel, der stellvertretende Leiter der Einrichtung, verurteilt den Schritt der Ausländerbehörde als „vollkommen überzogen“. Ihm ist unverständlich, warum an besagtem Morgen nicht wenigstens ein Betreuer den Jugendlichen behutsam wecken und auf die Sitation vorbereiten durfte.

Der Anwalt des minderjährigen Kurden Ramazan D., der im Auftrag des Bremer Jugendamtes eine Duldung des Jugendlichen aus humanitären Gründen erreichen wollte, nachdem dessen Asylantrag abgelehnt worden war, wirft der Ausländerbehörde unterdessen vor, „jeglichen Maßstab für Humanität und die Situation eines Kindes, das sich außerhalb seiner Familie in einer fremden Umgebung auf der Flucht befindet“, verloren zu haben. Von Ramazan selbst weiß heute offiziell niemand, wo er steckt. Der Junge, der im Alter von 12 Jahren nach Deutschland kam, ist aus Angst vor Abschiebung untergetaucht. Jetzt ruft er nur noch an. „Er hat Angst vor der Polizei und sagt uns, daß Deutschland sein Zuhause geworden ist“, berichtet eine Betreuerin. „Mensch, der war 12 als er kam.“Im Sommer hätte Ramazan seinen Hauptschulabschluß machen sollen. Aber sobald die Polizei den Jungen erwischt, werden drei Jahre Aufenthalt in Bremen zuende sein. „Dann schieben wir ab“, heißt es aus dem Ausländeramt. Dies entspreche dem Gesetz.

Alle rechtlichen Möglichkeiten für Ramazan sind ausgeschöpft. Zwei Tage nach dem überraschenden Auftauchen der Beamten im Jugendwohnheim hatte das Asylbundesamt Ramazans Asylfolgeantrag abgelehnt. Die Hoffnung auf Duldung aus humanitären Gründen war bereits geplatzt.

„Der Junge hat zuviel gelogen“, sagt der Leiter des Ausländeramts, Dieter Trappmann. So belege Ramazans zufällig aufgetauchter Paß, daß er per Flugzeug nach Deutschland kam – und nicht, wie angegeben, mit einer Schlepperorganisation. Dergleichen Ungereimtheiten gebe es noch mehr. Die Abholung von Ramazan sei „keine Nacht-und-Nebel-Aktion“gewesen, sagt Trappmann. Daß es dazu kam, sei vielmehr die Schuld des Jungen oder dessen Vaters gewesen, der in Bremen erneut einen Asylantrag gestellt habe – in dem einiges nicht mit den Angaben des Sohnes übereinstimme. Daß Ramazan auf Rat seines Anwalts nicht zum Termin bei der Ausländerbehörde erschien, wo man die anstehende Ausreise besprechen wollte, sei ein grober Fehler gewesen. Der zweite. Wäre der Junge nicht im letzten Sommer für zwei Monate untergetaucht, wäre er nie auf den Fahndungslisten gelandet – wo er bis heute steht. Vor allem dies sei der Grund für das Vorgehen der Polizei. Denn während BetreuerInnen dem Jungen damals glaubten, daß er bei der Obsternte im Alten Land gearbeitet hat, um der kranken Mutter Geld nach Anatolien schicken zu können, will die Behörde von der Rückkehr des Jungen ins Heim nicht informiert gewesen sein.

Die BetreuerInnen wählen jetzt einen letzten Weg. Den Appell. „Ramazan ist minderjährig. Er will nicht ewig bleiben. Aber wenigstens die Ausbildung soll er doch machen. Sonst hat er doch nichts, nach all den Jahren hier.“ ede

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