Keine Inszenierung am Kollwitzplatz

Die offizielle Walpurgisnacht in Prenzlauer Berg wird es dieses Jahr nicht geben. Ein friedlicher Ablauf wäre nicht zu garantieren, heißt es im Bezirk. Kunstspektakel ebenfalls abgesagt  ■ Von Kathi Seefeld

Offizielles hexisches Treiben und Walpurgisfeuer auf dem und rund um den Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg wird es in diesem Jahr nicht geben. Nachdem bereits Ende letzten Jahres die „Initiative Walpurgisnacht“ resigniert ihre Arbeit und ihre Bemühungen um ein friedliches Volksfest am Vorabend des 1. Mai einstellte, erklärte nun Robert Scholz, stellvertretender Bürgermeister des Bezirks, gegenüber der taz, daß keine Anmeldungen anderer Veranstalter vorliegen. „Ich rechne auch nicht damit, daß sich noch jemand den Hut aufsetzt“, so Scholz.

Heerscharen von Schaulustigen hatte der Kollwitzplatz im vorigen Jahr angezogen. Als Zehntausende sich, wie es der Scholz beschreibt, „genaugenommen nur über den ohnehin schon übernutzten Platz quälten“, hatten Gründerväter und -mütter bereits das Ende des hexischen Treibens prophezeit. Das Kiezfest war zu einer Großveranstaltung mutiert. Es gab zuwenig Kulturangebote, zuwenig Holz für die Feuer, zuwenig Toiletten. Bloß den Kneipen, die ihre Türen nicht verbarrikadiert hatten, bescherte der Abend gigantische Umsätze.

Als maßgeblich für das Ende der Nachwende-Kollwitzplatz- Tradition bewertete die „Initiative Walpurgisnacht“ vor allem die Tatsache, daß die meisten der Angereisten nur daran interessiert waren, „ob und wann Auseinandersetzungen beginnen würden“. Nach acht Stunden friedlicher, ausgelassener Party folgte dann auch prompt die nächtliche Straßenschlacht. Selbst wenn diese nur halb so lange dauerte wie 1995 und weitaus weniger Schäden anrichtete – der Versuch, die Walpurgisnacht vom 1. Mai abzukoppeln, mißlang. „Er wurde von der autonomen Szene durchkreuzt, indem sie für ihre beiden revolutionären Mai-Demonstrationen eine gemeinsame Abschlußkundgebung auf dem Kollwitzplatz vorsah“, konstatierte die Initiativgruppe.

Seitens der Polizei konnte deshalb auch für 1997 keine Sicherheitspartnerschaft mehr versprochen werden. Statt dessen forderte der leitende Polizeidirektor der zuständigen Direktion VII, Buchholz, in einem Schreiben von Bürgern und Initiativen „Einsicht in die Tatsache, daß die Polizei sich im Fall konkreter Interessenkollision zumindest vorübergehend aus der Zusammenarbeit zurückziehen müßte“.

Nach der Aufarbeitung der Ereignisse 1996 und vielfältigen Überlegungen, wie eine Hexengaudy in diesem Jahr aussehen könnte, war die Initiative also am Ende. Die AktivistInnen Sabine Boldt, Peter Brix, Nilson Kirchner und Ernst-Frieder Kratochwil erklärten, daß es keinerlei Garantien für den besseren Ausgang eines weiteren Versuchs gäbe.

Einmal im Jahr könne der Kiez ein Volksfest durchaus verkraften, „es muß nur professionell vorbereitet sein“, ist dagegen Marina Lehmann, Chefin des „Pasternak“ am Wasserturm überzeugt. Daß sie damit nicht allein steht, beweist Reinhard Zabka. Der Collageur in Prenzlauer Berg legte dem Bezirk im Dezember 1996 sein Konzept „Nachtblüte“ vor, ein Programm, in das seine Erfahrungen bei der Ausrichtung des Festivals „Rendezvous of ARTS“ 1996 in Bangkok einflossen. Neben der Inszenierung von Tieren, die, wie Zabka in der Sanierungszeitung des Bezirks, Vor Ort schrieb, die „emotional aufgeladene Situation“ entspannen können und die Mitte des Platzes „auf absurde Weise“ belegen, schwebten dem Künstler an sieben Orten nicht nur Walpurgisfeuer, sondern Aktionen von Gauklern, Musikern und Theaterleuten vor. Kiezbewohner reagierten auf Zabkas Vorschlag allerdings mit geharnischten Protesten. Es gebe, schrieb ein anonymer Leser „immer noch unverbesserliche Träumer, die sich einbilden, dazu berufen zu sein, den Anwohnern des Kollwitzplatzes etwas Gutes antun zu müssen“. Diese aber litten unter den vielen Kneipen im Viertel und ihren Besuchern ohnehin Tag für Tag.

Der stellvertretende Bürgermeister Scholz betonte gestern, daß im Bezirksamt letztlich niemand über die nicht stattfindende Party unglücklich sei. Daß in der Nacht zum 1. Mai 1997 gefeiert wird, steht zudem für Walpurgisnacht-Begeisterte außer Frage. „Allerdings an mehreren, kleineren Orten“, so Nielson Kirchner. „Das Flair und die Tradition des Kollwitzplatzes wird darunter nicht leiden“, meint Scholz. Gleichfalls würde sicher niemand abgehalten, dennoch dort friedlich zu feiern. Absprachen mit der Polizei habe es in den vergangenen Tagen bereits gegeben. Unter anderem habe Polizeidirektor Buchholz versichert, Beamte „mit normalem Outfit“ zum Kollwitzplatz zu schicken. Eine Garantie für einen ruhigen Mai-Start verspricht sich allerdings niemand. Zwar, so bestätigte auch die Polizeipressestelle, lägen noch keine Anmeldungen für Demonstrationszüge in Richtung Kollwitzplatz vor, und Robert Scholz konstatierte, daß nach seinen Erkenntnissen die autonome Szene im Bezirk offensichtlich nur wenig Interesse hat, die Auseinandersetzungen der Vorjahre fortzuschreiben. Doch „1987 – 1997. Zehn Jahre revolutionärer 1. Mai“, künden bereits Schriftzüge nicht nur in den Straßen Kreuzbergs.