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Den deutschen Konzernen geht es prächtig. Ein Unternehmen nach dem anderen meldet Rekordgewinn. Zugleich geht es mit der Arbeitsplatzvernichtung tatkräftig voran. Was fehlt, sind Investitionen in die Zukunft, in Forschung und Hochtechnologi

Den deutschen Konzernen geht es prächtig. Ein Unternehmen nach dem anderen meldet Rekordgewinn. Zugleich geht es mit der Arbeitsplatzvernichtung tatkräftig voran. Was fehlt, sind Investitionen in die Zukunft, in Forschung und Hochtechnologie

Totsparen für den schnellen Gewinn

So viel Gewinn war noch nie: Ein deutscher Konzern nach dem anderen meldet Rekordgewinne, sei es Daimler-Benz (2,8 Milliarden), BASF (ebenfalls 2,8 Milliarden nach Steuern) oder VW (676 Millionen). So viel Arbeitslosigkeit war auch noch nie. Ein deutscher Konzern nach dem anderen meldet Stellenabbau – bei Daimler minus 87.000 Jobs seit 1990, minus 28.000 bei BASF, minus 20.000 bei VW. Weit mehr als 4,6 Millionen Menschen im Land sind arbeitslos.

Ist der Typus des sorgenden Unternehmers, der um des sozialen und Betriebsfriedens willen notfalls auf ein paar Mark Gewinn verzichtet, ausgestorben? „Ich habe doch kaum Spielraum“, bedauert Bayer-Chef Manfred Schneider im Spiegel-Interview. „Dieses Unternehmen muß im globalen Wettbewerb bestehen.“ Hohe Lohnzusatzkosten und hohe Steuern würden den Standort Deutschland im internationalen Konkurrenzkampf zurückwerfen. Arbeitsplätze schaffen rentiert nicht, menschliche Arbeitskraft einsparen sehr wohl.

In der Chemieindustrie verschwanden seit 1994 neun Prozent der Arbeitsplätze. Dies ging bei gleichbleibendem Umsatz einher mit 20 Prozent höherer Rendite. „Die Unternehmen fahren die Früchte Rationalisierung ein“, erklärt das Klaus Löbbe vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI).

Auf Gewinne zu verzichten, das glaubt sich kaum noch ein Firmenchef erlauben zu können. „Wem gehört die Wirtschaft?“, fragt die Westdeutsche Genossenschaft- Zentralbank (WGZ) rhetorisch, um gleich die Antwort zu geben: dem Aktionär. Und der erwarte, daß sein Eigentum an Wert gewinnt. Die Manager gehen – Stichwort shareholder value – immer mehr lieber darauf ein. „Die Anleger geben uns ihr Geld nur dann, wenn diese Bedingung erfüllt ist“, erläutert Bayer-Sprecher Günter Forneck die simple Überlegung. Ein weiteres Motiv treibt die Konzerne an, durch glänzende Bilanzen und hohe Ertragsprognosen ihre eigenen Aktienkurse in die Höhe zu treiben: Die Angst vor feindlichen Übernahmen. Die ist umso schwerer, je teurer der Unternehmenswert ist.

Und so stiegen die Aktienkurse an fast allen Börsen der Welt in schwindelnde Höhen, so hoch, daß der Bezug zur Realität vielen Börsianern verloren scheint. Kleine Änderungen der wirtschaftlichen Bedingungen, wie eine viertelprozentige Zinserhöhung in den USA, führen in dem nervösen Klima zum kurzfristigen Crash und möglicherweise auch zu einer Kurskorrektur. Aber langfristig dürfte die Rechnung aufgehen: Der große Crash von 1987, als die Kurse an der Wall Street um 600 Punkte einbrachen, blieb eine bloße Delle im Aufwärtstrend.

Die aktuellen Gewinnmeldungen deutscher Konzerne lassen Wolfram Gruhler vom industrienahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ohnehin kalt. Im Vergleich etwa mit den USA, Großbritannien oder den Niederlanden seien die deutschen Renditen bezogen auf das eingesetzte Eigenkapital noch viel zu niedrig. Um im weltweiten Wettbewerb um Kapital mitzuhalten, müßten die Unternehmen ihre Ertragskraft sogar noch deutlich steigern. Und wie kann man die Erträge steigern? Der Phantasie deutscher Konzernlenker sind enge Grenzen gesetzt. Von den zwei Möglichkeiten, Gewinne zu erzielen – durch höhere Einnahmen oder durch geringere Ausgaben – wählen sie stets die zweite. Sparen aber läßt sich am leichtesten bei den Beschäftigten, die sich durch Maschinen ersetzen lassen. Auf diese Weise steigt die Produktivität der deutschen Wirtschaft um wunderbare 3,4 Prozent im Jahr. Da das Bruttoinlandsprodukt 1997 bei wohlwollender Schätzung nur um 2,5 Prozent wachsen wird, schrumpft zwangsläufig das verfügbare Arbeitsvolumen allein in diesem Jahr um fast ein Prozent.

Michael Bretz vom Wirtschaftinformationsdienst Creditreform, hält die Firmenbosse, die sich am shareholder value orientieren und nur nach schnellen Gewinnen schielen, für extrem kurzsichtig. „Die langfristige Perspektive wird auf diese Weise kaputtgemacht.“ Investitionen, die keine sofortigen Gewinne versprechen, gibt es kaum. „Man kann sich auch totsparen“, kommentiert der Volkswirt.

Auch Klaus Löbbe vom RWI meint, die Einsparungswelle könne bestenfalls der erste Teil einer längerfristigen Unternehmensstrategie sein. Nach wie vor sei die Ertragslage der deutschen Unternehmen, vor allem der mittleren und kleineren Firmen, nicht nachhaltig. Das zeige die hohe Zahl von Firmenpleiten – über 31.000 im letzten Jahr. Als zweiter Teil der Strategie müsse eine Innovationswelle folgen. Davon aber sei in der politischen Diskussion, wo allein von Kostensenkung die Rede ist, nichts zu merken.

Dabei hat Forschungsminister Jürgen Rüttgers in einer Studie die Bedeutung von Innovationen hervorgehoben: „Forschungsintensive Industrien stehen an der Spitze der Konjunktur.“ Die Beschäftigungsbilanz in diesem Sektor sei günstiger als in anderen Bereichen. Nichtsdestotrotz fallen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung: Betrug der Anteil der F&E-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt 1995 noch 2,28 Prozent, waren es letztes Jahr 2,25 Prozent. Deutschland liegt damit weltweit nur noch an vierter Stelle, knapp vor Südkorea.

„Der Weg zu mehr Wachstum und Beschäftigung führt nur über mehr Innovationen“, befindet auch Unternehmensberater Roland Berger. Aber „die Hochkostenwirtschaft Deutschland lebt von der Innovationsrente verganger Tage.“ Bis heute konzentrieren sich deutsche Entwickler auf Autos, Chemie und Maschinen. Diese sogenannten höherwertigen Technologien bringen es aber nur auf eine Wachstumsrate von drei Prozent. Bei der Hochtechnologie und vor allem dem neuen Hoffnungsträger Multimedia hingegen (sieben Prozent Wachstum) befindet sich der Standort Deutschland im Tiefschlaf.

Klaus Löbbe vom RWI ist sich schon nicht mehr sicher, ob der gegenwärtige Stand der bundesdeutsches Wirtschaft das hohe Lohnniveau noch rechtfertigt. „Die Massenarbeitslosigkeit“, philosophiert er düster, „ist ohne Billiglohnjobs vielleicht doch nicht zu bewältigen.“ Nicola Liebert

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