: „Das ist Entertainment!“
■ Pavement sind mit einem neuen Werk zurück und erklären sich zu Classic-Rockern mit großem Herz für Mutti, fiese Witze und die Smashing Pumpkins
Wenn Pavement ein neues Album herausbringen, darf über den Zustand des Gitarrenuntergrunds gefachsimpelt werden. Wie keine zweite Band verkörpern sie den amerikanischen Indierock. Chefideologe Steve Malkmus schlurft mit dem Minister of Gimmicks, Bob Nostanovich, und Mark Ibold, der in brenzligen Situationen fürs Geraderücken zuständig ist, in den Konferenzraum des Hamburger Bellevue-Hotels. Das neue Werk, Brighten The Corners, muß promotet werden.
taz: Die Verbindung zwischen Elektronika und Rock macht vor niemandem halt. Ihr seit die letzten eines Circuits, der sich früher Indierock nannte, die neue Technologien ignorieren.
Steve Malkmus: Wir beobachten, was alles passiert. Aber ich sehe nicht ein, weshalb Pavement jetzt auch noch zum Sampler greifen müssen. Ganz bewußt haben wir das Studio von Mitch Easter, wo auch schon R.E.M. ihr erstes Album aufgenommen haben, für die neue Produktion gewählt.
In „Transport Is Arranged“gibt es dann doch ein klitzekleines Sample.
Malkmus: Wir haben Bobs Drum geloopt, aber das hört man ja kaum. Ich sehe uns momentan übrigens mehr als Classic-Rock-Band. Der Riff-Rock der Siebziger ist ganz klar unsere Herkunft, und diese lässigen Refrains, wow! Die Stones sind einfach riesig.
Aber inzwischen spielt ihr vollkommen idiosynkratisch. In „We Are Underused“heult ihr etwa wie die Black Crowes bis der Song vollkommen abrupt abbricht.
Mark Ibold: Stimmt, das klingt wie die Black Crowes. Wie wir da so alle zusammen den Chorus jaulen. Aber der Text ist ziemlich fies. By the way, Steve, wie bist du eigentlich darauf gekommen?
Malkmus: Ich habe da ein paar Klänge ausprobiert: So confused? Nein. So abused? Auch nicht. We are underused? Das ist es!
Insgesamt sind Lautmalerei und Assoziation weniger plakativ eingesetzt. Früher habt ihr schon mal den Smashing Pumpkins einen vor den Latz geknallt.
Malkmus: Das wurde viel zu wichtig genommen. Die Smashing Pumpkins kommen im betreffenden Song erst in der dritten Strophe vor. Ganz ehrlich, ich finde alles nach der ersten langweilig.
Bob Nostanovich: Oh ja, natürlich. Dritte Strophen langweilen den Herren, und nur deshalb würgt der Herr den Smashing Pumpkins eine rein. So ein Quatsch!
Malkmus: Ja, wirklich jeder kann konventionelle dritte Strophen schreiben. Aber die Smashing Pumpkins werden jetzt bis zu ihrem Lebensende alle Interviews von uns lesen, um zu gucken, ob wir wieder gegen sie gewettert haben. Im Ernst: Das ist Entertainment. Nicht für dich, sondern für uns. Alles, was du als Kritiker oder als Publikum brauchst, schöne Melodien und gute Riffs und intelligente Einfälle, findest du auch in unseren Songs. Aber das reicht uns irgendwie nicht, schließlich müssen wir die unheimlich oft spielen. So wimmelt es vor Witzen und Anspielungen.
Nostanovich: Deshalb schaffen wir es einfach auch nicht, immer die gleiche Show zu spielen. Wir sind die Grateful Dead des Indie-Rock, hähähä.
Wie steht ihr zu den Fans?
Ibold: Wir versuchen Kontakt zu halten, wollen aber nicht die Kummerkastenonkels sein. Neulich hat uns unser Label einen Chatroom im Internet eingerichtet und damit geworben, daß man uns Tag und Nacht erreichen könne. Und die dachten wirklich, wir säßen da sechs Monate lang, 24 Stunden am Tag. Du konntest uns irgendwas fragen, dann gab es eine programmierte Antwort. Vielleicht war es nicht richtig, die Leute zu veräppeln. Stell dir mal vor, meine Mutter hätte sich eingeklinkt und gefragt: „Lieber Mark, wann kommst du endlich mal wieder nach Lancaster?“
Fragen: Christian Buß
Konzert mit High Llamas: Sa, 5. April, 21 Uhr, Markthalle
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