: Arbeitskampf unter schlechtem Stern
Entlassene ArbeiterInnen der philippinischen Daimler-Tochter Temic kämpfen für ihre Wiedereinstellung. Oberstes Gericht soll über Rechtmäßigkeit des Streiks entscheiden ■ Von Sven Hansen
Berlin (taz) – Auf den Philippinen kämpfen 1.500 ehemalige ArbeiterInnen der Firma Temic Telefunken Microelectronic seit eineinhalb Jahren für ihre Wiedereinstellung. Sie waren nach einem Streik entlassen worden. Die Leitung des Unternehmens – das Daimler- Benz gehört – hat längst neue Beschäftigte eingestellt.
Am 14. September 1995 waren beim philippinischen Zweigwerk von Temic alle 3.500 ArbeiterInnen in den Streik getreten. Die Betriebsgewerkschaft hatte sich mit der Firmenleitung nicht auf einen Tarifvertrag einigen können. Mit dem Streik wollten die zu 90 Prozent weiblichen Beschäftigten vor allem Lohnerhöhungen durchsetzen. Nach zwei Tagen erklärte das Arbeitsministerium den Ausstand für unrechtmäßig und forderte die Streikenden auf, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren. Die Gewerkschaft sagt, sie habe diese Mitteilung nie erhalten. Unbestritten ist, daß bisher nicht endgültig über die Recht- oder Unrechtmäßigkeit des Streiks entschieden wurde.
Laut Temic-Sprecher Eckehart Rotter erhielten die Streikenden zwei Wochen Zeit, zur Arbeit zurückzukehren. Dem seien trotz entsprechender Zeitungsanzeigen und Radiospots nur 1.200 ArbeiterInnen gefolgt. Die Gewerkschaft sagt, sie habe diese Aufforderungen für eine Finte gehalten. Nach Ablauf der Frist entließ Temic die Weiterstreikenden und stellte 1.500 neue Beschäftigte ein. „Die Alternative wäre gewesen, den Standort aufzugeben“, so Rotter.
In Taguig im Süden Manilas produziert Temic Bauteile für Unterhaltungselektronik sowie die Computer- und Autoindustrie. Ende Oktober 1995 wies das Arbeitsministerium die Firma an, alle Streikenden wiedereinzustellen – außer 98 Personen, die als Streikführer galten oder gegen die Temic gerichtlich vorging. Während die Gewerkschaft gegen diese Einschränkung vor Gericht zog, folgte Temic der Aufforderung zur Wiedereinstellung nicht. Drei Wochen später einigte man sich jedoch, alle Streikenden wiedereinzustellen. „Statt sich an die Abmachung zu halten, verklagte die Firmenleitung die restlichen 1.500 ArbeiterInnen“, so Gewerkschaftsführerin Liza Dimaano. Die Klagen seien bis Ende 1996 abgelehnt worden. Doch Temic weigerte sich, die 1.500 wiedereinzustellen.
Für Rotter sind die früheren Beschäftigten rechtmäßig entlassen worden. Heute trage man für die neuen Arbeitskräfte Verantwortung. Diese sind für die Gewerkschaft Streikbrecher. Bis November 1996 wies das Arbeitsministerium Temic fünfmal an, die früheren Beschäftigten wiedereinzustellen. Laut Rotter habe das Ministerium dies im Januar 1997 jedoch widerrufen. Beim Obersten Gerichtshof sind Klagen beider Seiten anhängig. Solange das höchste Gericht nicht entschieden hat, sieht die Regierung keinen Handlungsbedarf, ließ Präsident Fidel Ramos dem katholischen Kardinal Sin mitteilen. Der hatte sich auf Bitten der Gewerkschaft eingeschaltet. Für sie ist Ramos voreingenommen. Sein Rechtsberater stamme aus der gleichen Kanzlei wie der Temic-Anwalt.
In den letzten eineinhalb Jahren haben die entlassenen ArbeiterInnen wiederholt demonstriert. Mehrfach wurden sie gewaltsam von der Polizei vertrieben, etliche wurden verhaftet. Rotter wirft der Gewerkschaft vor, den Konflikt zu politisieren. „Eine Rückkehr zum Status quo ante ist unmöglich“, sagt er. Das Arbeitsministerium sei über alle Schritte von Temic informiert gewesen. „Es ist bezeichnend, daß das Ministerium seine Anweisungen selbst aufhob.“
Inzwischen überlegt man in der Gewerkschaft, eine Delegation nach Deutschland zu schicken, um den Konflikt bekanntzumachen.
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