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■ Mobutu schlecht, Kabila gut? So einfach sind die Fronten in Zaire nicht. Der Westen vergrößert die Verwirrung nochEine kleine Nato-Süderweiterung

Immer diese Verschwörungstheorien! Da meint doch eine BBC-Reporterin den zairischen Rebellenrepräsentanten Laurent Kabila fragen zu müssen, ob die US-Dienste hinter seiner Befreiungsbewegung stünden – nur weil Kabilas Sicherheitschef Paul Kabongo so gern über „das Vorbild der amerikanischen Revolution“ plaudert. Wenn Radio France International den bewährten Berufsrevolutionär einer solchen Peinlichkeit ausgesetzt hätte, geschenkt, doch der brave Britensender? Ist es denn nicht der Franzose, der sich in Diktator Mobutu an seinen „äquatorialen Bonaparte“ klammert und somit, wie selbst die FAZ klagt, einen „gewissen Neokolonialismus“ betreibt?

In Kinshasa, wo die Nachrichten von BBC und RFI von Millionen begierig aufgefangen werden, wachsen die Zweifel nach allen Seiten: Kabila gut, Mobutu schlecht? Und sind die Amerikaner vielleicht die besseren Franzosen? Bringen sie uns endlich, da „Papa Sese Seko“ sein Krankenlager hinter den Barrikaden der örtlichen Garnison aufgeschlagen hat, den Nationalhelden Lumumba zurück? Oder wollten die Amis mit Kabila nur die Wiederwahl von Premier Tshisekedi, einst von Mitterrand begünstigt, von Mobutu aber abserviert, verhindern?

Da haben selbst manche westlichen Diplomaten ihre liebe Not, ihre Außenminister zu Hause auf den Punkt zu orientieren. Da trifft es sich gut, daß wenigstens im fernen Hamburg ein Wochenblatt das Auge aufs Schlüsselloch drückt: Washington und Paris belagern sich am zairischen Rohstoffbunker? „Absurd“, weiß die Woche. „In Wahrheit wäre Onkel Sam nichts lieber, als aus dem unruhigen Kontinent herausgehalten zu werden. Im Pentagon regiert die Überzeugung, in Afrika könne man sich außer schmutzigen Fingern und Malaria nichts holen.“

In Kinshasa reibt man sich unterdessen die Augen. Steht doch am Gegenufer des unruhigen, verschmutzten Kongostroms wie selbstverständlich über Nacht eine tausendköpfige amerikanisch-belgisch-französische Interventionsstreitmacht Gewehr bei Fuß, eine kleine Nato-Familie sozusagen, in humanitärer Mission, versteht sich, doch von niemandem gerufen und ganz ohne UNO-Mandat. Lautet ihr Kampfauftrag etwa, die überfällige Bergung der Flüchtlingsmassen aus dem ostzairischen Dschungel nachzuholen? Mitnichten. Regional-militärpolitisch sind sich die Nato-Mächte vielmehr einig geworden, notfalls die Haut ihrer eigenen 7.800 Leute in Zaire zu retten. Was die elenden Kriegsflüchtlinge angeht: Afrika den Afrikanern! Bestenfalls noch den weißen Gutmenschen. Sie wissen doch: die mit der Sammelbüchse.

Immerhin scheint die kleine Nato-Süderweiterung ihren politischen Zweck nicht völlig zu verfehlen. Die Lage in Kinshasa, jüngst noch explosiv, hat sich etwas beruhigt. Die Militärputschgerüchte pro oder contra Mobutu sind fast verstummt, Kurzschlußreaktionen des bis auf die Knochen blamierten zairischen Generalstabes mit einem unkalkulierbaren Risiko behaftet. Solange in Schußweite amerikanisch-französische Eingreiftruppen eine Art Schulterschluß demonstrieren, können sich irgendwelche Abenteurer kaum in einen Bürgerkrieg im Bürgerkrieg stürzen. Im Gegenteil: Der Druck zugunsten einer politischen Lösung des Konflikts zwischen Rebellen und Regierenden, soweit es sie gibt, macht sich bemerkbar. Oder lassen wir uns täuschen?

Irgendwie erinnert das zairische Kriegstheater ja tatsächlich an Jeffersons Schlachtruf, wonach der Garten der Politik erst erblühe, wenn ihn die Patrioten mit ihrem Blut begossen hätten. Nun hält sich das Blutvergießen zwischen Kisangani und Lubambashi bislang in Grenzen, was die tapferen Krieger betrifft, zumal die Stärke der Kabila-Verbände scheinbar der Schwäche der Armee Mobutus entspringt. Der Fuchs hat einfach nur einen Bau des Hasen nach dem anderen besetzt und ihn damit in die Enge getrieben. No way, am Ende wird die Beute zu Tisch gebeten.

Äußerst eng wird es nun für die Mobutu-Partei am wackeligen Verhandlungstisch. Was aber hat man sich dort eigentlich noch anzubieten, was nicht auf beiden Seiten längst schon vorhanden ist: die Macht über Reichtümer im Überfluß. Geht es hier wirklich um eine „goldene Brücke“ für Kabila nach Kinshasa, um einen „goldenen Handschlag“ für Mobutu? Ist das große Palaver unter Lumumbas einstigen Mitläufern wirklich mehr als eine Geste gegenüber der UNO, der OAU und den Friedensfreunden aller Welt einerseits, gegenüber den Konservativen in Pariser Palästen wie im US-Senat andererseits, wo Mobutus Marschallmeriten aus dem Kalten Krieg unvergessen sind? Blieb doch das Uran von Shaba/Katanga stets in den Händen des Pentagon.

In der Umgebung von US-Botschafter Daniel Simpson in Kinshasa werden „Gerüchte“, wonach die Pentagon-Option einer Teilung Zaires entlang des 25. Meridians Bestandteil der Verhandlungen sein könnte, weder bestätigt noch dementiert. Ebensowenig die mögliche Ersetzung des Zentralstaates durch eine Konföderation. Jedenfalls sei der heutige Staat „demokratisch unregierbar und diktatorisch destabilisiert“. Würden am Ort Verhältnisse wie in Algerien oder Libyen einziehen, könnte die restliche Welt „im Angstschweiß schlafloser Nächte“ erwachen.

Was sind gegen einen solchen Alptraum „Malaria und schmutzige Finger“, die sich die Pentagon- Afrikanisten nun holen müssen? Peanuts, wie es aussieht. Und was bleibt dagegen von dem Demokratisierungsprojekt à la française, das demnächst die Diktatur Mobutus „liberalisieren“ sollte? Kann Paris sein Gesicht wahren, indem Kabila jetzt am Verhandlungstisch in die vorgesehenen Wahlen einwilligt? Wurde ein Krieg jemals bei Wahlen gewonnen?

In Kinshasa werden heute kaum die kritischen Stimmen vernommen, die einen politischen Generationswechsel verlangen, eine personelle Alternative zu den Helden der ewigen Bürgerkriegsparteien. „Das Problem hier ist“, meint Guillaume Ngefa von der nationalen Menschenrechtsliga, „daß die unzeitgemäßen und plumpen Eingriffe Frankreichs, der USA und Belgiens in die zairische Innenpolitik die Opposition geschwächt und die Frustrationen der Bevölkerung verschlimmert haben.“

Frustriert sieht Ngefa über den aufgewühlten Kongostrom hinweg, an dessen Gegenufer ein Nato-Hauptmann in die Fluten spuckt und Ausschau nach dem avisierten US-Flugzeugträger „Nassau“ hält. Dabei würden sich die Ami-Boys so gern aus dem Schlamassel heraushalten. Michael Naether

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