Erstmalig auch China im Programm

■ Das Interesse am Schüleraustauschprogrammen wächst stetig. Sechzig Länder im Angebot, doch zwei Drittel zieht es in die USA. Berliner Austauschfamilien sind Mangelware

Seit mittlerweile 50 Jahren gibt es Schüleraustauschprogramme. Die ersten wurden nach dem Zweiten Weltkrieg vom US-Außenministerium initiiert, um jungen Deutschen zu zeigen, wie Demokratie funktioniert. Heute schicken die beiden größten gemeinnützigen international tätigen Organisation AFS Interkulturelle Begegnungen und Youth for Understanding (YFU) SchülerInnen aus aller Welt in rund 60 Länder. Neben dem „Klassiker“ USA sind mittlerweile fast alle Länder in Lateinamerika und Europa im Programm, außerdem Südafrika, die Philippinen, Thailand, Indien, Australien und in diesem Jahr erstmalig auch China. Und das Interesse, für ein Jahr ins Ausland zu gehen, läßt nicht nach: „Der Trend geht seit Jahren kontinuierlich aufwärts“, sagt Hans-Jürgen Schwebke vom Verein Berliner Austauschschüler (VBA). In Berlin sind es nach Schätzungen mindestens 400 SchülerInnen – deutschlandweit rund 5.000 –, die für ein Jahr in ein fremdes Land fahren, zwei Drittel von ihnen allerdings immer noch in die USA.

Ein Grund ist, daß lediglich die gemeinnützigen Vereine wie AFS und YFU auch exotischere Länder anbieten, die kommerziellen Organisationen – rund sechzig –, haben überwiegend nur englischsprachige Länder im Programm. Doch egal, mit welcher Organisation die Reise um die Welt angetreten wird, im Endeffekt entscheidet die eigene Persönlichkeit und die Gastfamilie über das Gelingen des Austauschjahres. Doch bei den Preisen, der Vorbereitung, der Auswahl der Familie und Schule und der Betreuung während des Jahres kann es gravierende Unterschiede geben.

Deshalb sollte darauf geachtet werden, ob Flug und Versicherungen bereits im Preis enthalten sind. Bei AFS und YFU kostet ein komplettes Jahr USA rund 9.500 Mark, allerdings ohne monatliches Taschengeld. Allerdings ist es im Gegensatz zu privaten Anbietern möglich, ein Stipendium zu bekommen, das von 500 bis 5.000 Mark Zuschuß reichen kann. Wichtig bei der Auswahl der Organisationen ist auch, darauf zu achten, daß die Gastfamilien kein Geld für die Aufnahme einer SchülerIn bekommen: die Motive sollten anderer Natur sein. Bei den gemeinnützigen Organisationen geht ein Großteil des Geldes in die Betreuung der Zöglinge. Sogenannte Area-represantatives kümmern sich während des Aufenthalts um die Kids, wählen die Gastfamilien aus und halten zu den leiblichen Eltern Kontakt.

Schwierigkeiten haben die Organisationen, in Berlin geeignete Familien zu finden: „Das Haus für einen Fremden zu öffnen, ist für Deutsche extrem schwierig“, hat Heribert von Reiche vom Austausch-Zentrum erfahren. Deshalb konnten in diesem Jahr nur 19 SchülerInnen über AFS und YFU nach Berlin kommen. Viele hätten zusätzlich das Vorurteil, die Familie müsse den Austauschschülern „etwas besonderes bieten“. Dabei gehe es lediglich darum, den Exchange-Student in den Alltag zu integrieren und ihn als normales Familienmitglied zu behandeln.

Auch Alleinerziehende könnten einen Gastschüler aufnehmen. Jedoch meldeten sich mittlerweile viele Ehemalige, die vor zwanzig oder mehr Jahren selbst AustauschschülerInnen waren und jetzt bereit seien, das Experiment noch einmal „aus der anderen Perspektive“ zu starten. Julia Naumann

Informationen über Austauschprogramme in alle Welt und nach Berlin gibt es beim Austausch-Zentrum Berlin, Chauseestraße 8, Raum 214 in Mitte. Telefon: 2834423, Fax: 2834421