Drachen, die nicht bloß für Kohle brennen

Beim Basketball-Bundesligisten TV Rhöndorf pflegt man trotz Amerikanisierung erfolgreich das Image vom Verein als rheinische Familie. Nun darf man nur nicht im Playoff gegen den Rivalen Bonn ausscheiden  ■ Von Ulrich Loke

Rhöndorf (taz) – Die Atmosphäre ist ein brodelndes Gemisch aus regionalem Volksgut und den Errungenschaften aus der weiten Welt des Basketball. Zur Einstimmung wird gesungen „Echte Fründe stonn zosamme“, und wenn ein Spieler der Gastmannschaft nach fünf Fouls das Spielfeld verlassen muß, ertönt der Narrhalla-Marsch, das musikalische Perpetuum mobile jeder Karnevalssitzung. Für das kulturelle Gegengewicht sorgt das vereinseigene Erkennungslied, ein Song namens „Dragons on fire“, brennende Drachen – vor Ehrgeiz, wie wir zu ihrem Vorteil annehmen.

Die Rhöndorfer Basketballer fühlen sich als Drachen, weil das begehrte touristische Ausflugsziel Drachenfels so nahe bei ihrem Arbeitsplatz liegt. Wenn dann auch noch die Lightshow mit viel Schall und Rauch durch die Sporthalle an der Menzenberger Straße flackert, wird klar, daß die Amerikanisierung des rheinischen Frohsinns beim TV Tatami Rhöndorf längst Fuß gefaßt hat.

Auch der maßgebliche Teil des Personals stammt aus dem Mutterland des Basketball: Trainer Tom Schneeman ebenso wie die tragenden Säulen des Spiels Richard Morton und Steven Key. Viel Rhöndorfer Personal legte vor Jahren einmal in Leverkusen beim dortigen Rekordmeister Hand an den Basketball. Thomas Deuster, Detlef Musch und Moritz Kleine- Brockhoff, allesamt schon mit Berufungen in den Kader der Nationalmannschaft, wechselten rheinaufwärts nach Rhöndorf, wo einst Bundeskanzler Konrad Adenauer in bester Hanglage wohnte.

Was aber hat Rhöndorf, ein Stadtteil von Bad Honnef, dauerhaft zu bieten? Wer wegen der Idylle mit Blick ins Rheintal von Provinz spricht, den strafen sie hier mit Verachtung. Gern wird das Image vom Verein als einer großen Familie gepflegt. „Profitum mit familiärem Umfeld“, nennt Manager Gunnar Wöbke das Gebilde, bei dem Spitzen- und Breitensport fest miteinander verwoben sind. Die Profis Musch und der Portugiese Rogerio Fernandes trainieren Jugendmannschaften, Richard Morton leitet die Basketball-AG in einer Schule. So soll die Basis das Gefühl wahren, daß die Herren aus der Abteilung Profisport „nicht vom anderen Stern“ sind. Damit Wöbkes Wunsch weiterhin in Erfüllung geht, sollen die Bundesligaspieler auch in Zukunft nach dem Kriterium ausgewählt werden, „Menschen wie du und ich“ zu sein, „die nicht einfach nur Kohle abzocken wollen“.

Wie lange werden sich solche gemeinnützigen Charaktere finden lassen? Vor allem wenn man, wie die Rhöndorfer Basketballer, auf europäischer Ebene erfolgreich sein will? Gerade unter Europas Körben eilt dem wechselwilligen Personal, das als sportliche Verstärkung gilt, der Ruf voraus, die Hand aufzuhalten, noch bevor der erste Ball geworfen ist.

Zu eng geworden für die derzeitige Nachfrage des Publikums ist die Turnhalle an der Menzenberger Straße, auch „Dragon dome“ genannt, in die sich gern 1.500 Zuschauer zwängen. Eine neue Spielstätte, verkehrsgünstig gelegen und für rund 3.500 Zuschauer, soll spätestens bis Ende nächster Saison stehen. Medien- und zuschauergerecht soll sie sein und so auch für das passende Ambiente gegen europäische Gegner sorgen. Im Moment sprengt die Zuschauernachfrage bei den Meisterschafts- Playoffs gegen den Rivalen aus Bonn den engen Rhöndorfer Hallenrahmen. Der Konkurrent vom anderen Ufer des Rhein kann in der Hardtberghalle fast dreimal so viele Fans unterbringen.

Diese nachbarschaftliche Konkurrenz beflügelt in jeder Hinsicht. Nichts käme dem Zweiten der Bundesliga-Vorrunde aus Rhöndorf ungelegener, als im Viertelfinal-Playoff (Best of seven) gegen die Telekom Baskets rauszufliegen. Noch ist alles drin. Morgen kommt es in Bonn zum sechsten Spiel.

Auch wenn sich die Fans beider Seiten nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen, setzen die Vereinsführungen auf eine friedliche Koexistenz. Die Zuschauer werden aus verschiedenen geographischen Zielgebieten rekrutiert, und im großen und ganzen gilt das auch für die Sponsoren. Zwei Unternehmen greifen Rhöndorfs Basketballern unter die Arme: ein ortsansässiger Sandalenhersteller, der sich laut Selbstauskunft seit 1774 der Füße seiner Mitmenschen annimmt, dafür aber im Ruf steht, seinen Arbeitnehmern Rechte vorzuenthalten. Der zweite Hauptsponsor betreibt vor allem Alten- und Pflegeheime und hat beim Basketball das Ziel, „die Zuschauer mit der Problemstellung des Alterns zu konfrontieren“. Ein versteckter Tip an das Rhöndorfer Publikum, auch bei einem Durchschnittsalter von knapp über 20 sicherheitshalber schon mal weit über das nächste Playoff hinauszudenken.