: Gentherapie mit künstlichen Chromosomen
■ Erste Versuche mit Menschen sollen schon in fünf Jahren durchgeführt werden
Wissenschaftler haben erstmals künstliche Chromosomen, die Träger des Erbguts, hergestellt. Nach Meinung der Forscher unter Leitung von Huntington Willard von der Case Western University in Cleveland, Ohio, ist dies ein „erster Schritt“ zum langgesuchten kommerziell nutzbaren Gen-Taxi, mit dem zusätzliche Erbinformationen in Zellen eingeschleust werden können. Noch handelt es sich um einen Prototyp, aber „die zweite und dritte Generation ist schon auf dem Weg“, verriet Willard dem Nachrichtendienst dpa. Mit den künstlich erzeugten Chromosomen wollen die Forscher der Gentherapie zum Erfolg verhelfen. Bisher schlugen die meisten gentherapeutischen Versuche fehl. Einige der bisher als Gen-Transporter benutzten Viren waren nicht groß genug, ein komplettes menschliches Gen einschließlich der Kontrollabschnitte huckepack zu nehmen, andere lösten Abwehrreaktionen des Immunsystems aus. Zudem mußten die eingeschleusten Gene von einem der 46 menschlichen Chromosomen aufgenommen werden, da sie ansonsten bei einer Zellteilung nicht verdoppelt und auf die beiden Tochterzellen weitergegeben werden können.
Die künstlichen Chromosomen hingegen gehen bei der Zellvermehrung nicht verloren. Sie bestehen aus einem Mix von synthetischer und natürlicher Erbinformation. In ihre künstlichen Chromosomen haben die Forscher ein Segment eingebaut, das für die Chromosomenverdopplung und -aufteilung notwendig ist. Damit konnte die Weitergabe von je einer Kopie an die Tochterzellen gewährleistet werden. Mit ihren Experimenten konnten die US-Forscher zeigen, daß die Chromosomen selbst noch nach 240 Zellteilungen vorhanden sind.
Laut Huntington Willard sollen schon in den nächsten fünf Jahren die ersten Versuche an Menschen mit Erbkrankheiten ausgeführt werden. Die Forscher glauben, daß ihre Chromosomen auch bei Neugeborenen zur Vorbeugung von Trisomie 21, auch Down-Syndrom genannt, eingesetzt werden können. Die Verwertung ihrer Forschungsergebnisse soll eine von den beteiligten Wissenschaftlern gegründete Biotech-Firma namens Athersys übernehmen. wlf
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