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Rumänienreise mit Ente im Gepäck

■ Vor dem Besuch des deutschen Aussiedlerbeauftragten sorgt Bukarests Informationsminister für reichlich Verwirrung

Berlin (taz) – Wenn heute der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung, Horst Waffenschmidt, in Rumänien eintrifft, dürfte auch ein spektakuläres Angebot des rumänischen Informationsministers Radu Boroianu zur Sprache kommen: Der hatte bei einem Deutschlandbesuch kürzlich angeblich vor der Presse erklärt, seine Regierung werde jedem deutschen Aussiedler bei der Rückkehr nach Rumänien das gesamte Eigentum, Haus, Grund und Boden, zurückgeben.

Das Echo auf den Rückkehraufruf an die nach Deutschland ausgewanderten Rumäniendeutschen war in Rumänien nicht besonders enthusiastisch aufgenommen worden. Ein Vertreter des Demokratischen Forums der Deutschen aus Rumänien sprach von einer „utopischen“ Nachricht. Andere Vertreter des Forums verwiesen darauf, daß es keine gesetzlichen Voraussetzungen für eine Rückwanderung gebe. Die Neueigentümer würden ihre Güter nicht freiwillig an die Alteigentümer zurückgeben.

Auf dem Schwarzen Brett einer rumänischen Internet-Newsgroup reagierten anonyme Diskussionsteilnehmer mit scharfen minderheitenfeindlichen Parolen: „Geht in die Mongolei!“ Um die Neueigentümer zu beruhigen, wurde in Bukarest von einer falsch übersetzten und demnach falsch zitierten Erklärung Boroianus gesprochen.

Auch in einem von der Siebenbürgischen Zeitung, dem in München erscheinenden Vertriebenenblatt der sächsischen Landsmannschaft, zitierten Telefonat des Informationsministers ist von einem „Mißverständnis“ die Rede. Er habe nur zu verstehen gegeben, die rumänische Regierung sei bereit, jeden Rückkehrer aufzunehmen.

Für die Sudetendeutsche Landsmannschaft bedeutete die Zeitungsente ein „bedeutendes Zeichen der Vernunft“. Das Angebot setze „Maßstäbe für ganz Ostmitteleuropa“, zeige „wirtschaftliche Klugheit“ sowie „menschliche Größe“. Deshalb solle Deutschland die Haltung Rumäniens anerkennen, mit Bukarest zusammenarbeiten und nicht mit denjenigen, die „immer noch an Idee und Ergebnis von ethnischen Säuberungen festhalten und sogar Gespräche verweigern“. Das gelte auch für die deutsche Unterstützung von EU-Beitrittskandidaten. Damit kritisierte der sudetendeutsche Berufsvertriebene Franz Neubauer indirekt Tschechien, dem die Landsmannschaft eine gegenteilige Haltung vorwirft. Das war während der Debatte über die deutsch-tschechische Versöhnungserklärung immer wieder deutlich geworden.

Boroianu erhielt Beifall auch von der deutschen rechtsradikalen Presse. Sowohl das Organ die Deutsche National-Zeitung als auch die Junge Freiheit begrüßten die Zeitungsente, „die schwerlich als Schönrednerei abgetan werden kann“.

Nicht zufällig gehören zur Delegation von Waffenschmidt auch die Spitzenvertreter der siebenbürgisch-sächsischen und banatschwäbischen Landsmannschaft. Während eines Gesprächs mit Radu Boroianu hatten deren Vorsitzende unlängst darauf verwiesen, daß in Rumänien nach wie vor ein Minderheitenschutzgesetz aussteht und die Rückgabe gemeinschaftlichen und privaten Eigentums rechtlich nicht geklärt ist. Gleichzeitig forderten sie eine Unterstützung von „Fördermaßnahmen durch zoll- und steuerfreie Einfuhrerlaubnis für Hilfsgüter aller Art“. Boroianu versprach Unterstützung und bat die Funktionäre als Gegenleistung, sich in Bonn für den Nato-Beitritt Rumäniens einzusetzen.

Falls Waffenschmidt auch Boroianu treffen sollte, wäre angebracht, ihn einmal prinzipiell nach seiner Meinung in Sachen Minderheiten zu fragen. Boroianu mag wohl die deutsche Minderheit „lieben“. Das gilt bestimmt nicht für eine religiöse Minderheit wie die Zeugen Jehovas: In denen sieht er Feinde „der fundamentalen Rechte der Nation, der kulturellen, politischen und seelischen Grenzen“ Rumäniens. William Totok

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