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Bildhauer des Lichts

■ Worpsweder Lichtbild-Galerie zeigt mit „Lichtzeiten“Werkschau des amerikanischen Fotografen Ralph Gibson

Der Westwind bläst die Wolken vor sich her. Grelles Sonnenlicht und dunkle Schatten wechseln einander ab. Es ist Worpsweder Wetter. Fotografenwetter. Ralph Gibson, der 1939 in Kalifornien geborene Fotograf, müßte darüber eigentlich ins Schwärmen geraten. Doch statt selbst in die Region mit dem einzigartigen Licht zu kommen, hat er nur und immerhin einige Dutzend seiner Arbeiten zu Ausstellungszwecken in die Worpsweder Lichtbild-Galerie expediert.

Der bei der US-Navy und am San Francisco Art Institute ausgebildete Ralph Gibson galt zunächst als Pionier und bald als Klassiker seiner Zunft. Fotografie, sagte Gibson einmal, sei nicht einfach ein Mittel der Abbildung, sondern eine eigene ästhetische Realität. Und als ob es eines Beweises dafür bedurft hätte, hat Gibson dieses Credo seit den 60er Jahren in vielfältigen Serien verfolgt.

Gibsons Arbeit erscheint auf den ersten Blick rastlos. Wo sich andere FotografInnen einem oder wenigen Themenkomplexen zuwandten, variierte Gibson. Selbst innerhalb seiner Serien wie „The Somnambulist“(Der Schlafwandler), „Days at Sea“oder „Syntax“wechselte der Fotograf zwischen den Themen Akt, Portrait oder Architektur. Doch was zunächst nicht viel miteinander zu tun zu haben scheint, wird von Gibson auf seltsame Weise verbunden.

Da ist die formale Strenge. Auch wenn aus manchen älteren Arbeiten die Spontaneität der Fluxus-Jahre schimmert, werden die Kontraste von extremen Schattenwürfen und intensiver Helligkeit geradezu chirurgisch herausgearbeitet. In zahlreichen Gebäudestudien scheinen Grauwerte gar nicht mehr zu existieren, und wie ein Bildhauer des Lichts bricht Gibson selbst Portraits durch kubische Schattenwürfe auf. Genauso durchgängig und nicht weniger ausdrucksstark als die Kontraste sind die Anschnitte. So läßt Gibson im Portrait eines Priesters den Kopf einfach verschwinden und erklärt Rumpf und Halskrause der Robe zu einer eigenständigen Skulptur. In diesen Fotografien sind die Motive fast immer leicht entschlüsselbar, doch durch die Fortsetzung der Inhalte über das eigentliche Bild hinaus haftet ihnen etwas Geheimnisvolles und häufig Surrealistisches an.

Vierzig Arbeiten aus drei Jahrzehnten sind in der Galerie zu sehen. Der Inhaber und Betreiber des „foto forums nord“, Wolfgang Kleine, hat sich die Freiheit herausgenommen, die Bilder in den zwei Ausstellungsräumen neu zu gruppieren. Durch diese „Sprengung“von Gibsons Serien werden überraschende Bezüge zwischen den Arbeiten hergestellt, die thematische und stilistische Kontinuitäten in Gibsons ×uvre verdeutlichen. ck

Gibsons „Lichtzeiten“bis zum 1. Juni in der Lichtbild-Galerie, Neu-Bergedorfer Damm 44a in Worpswede, geöffnet freitags bis sonntags von 14 bis 19 Uhr

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