: Hörgeräte werden Luxusartikel
■ Bremer Krankenkassen wollen Zuschuß für Hörgeräte um 600 Mark kürzen / Sozial Schwache im Nachteil
Wer ein Hörgerät trägt, sieht bitteren Zeiten entgegen: Die Bremer Krankenkassen wollen ihren Hörgeräte-Zuschuß ab Mitte April um bis zu 600 Mark senken. Die Proteste der 19 Bremer Akustiker gegen die neue Regelung waren somit vergebens: „Das ist durch“, sagt Heidrun Krause von der Bremer Hörgeräte-Zentrale in der Sögestraße. Etwa 25.000 BremerInnen sind von der Kürzung betroffen, schätzten Bremens Akustikerinnen. Tendenz steigend: Über 60 Prozent der 20jährigen haben mittlerweile einen Hörschaden, ergab jetzt eine Studie der Frankfurter Universität.
Wirkungsvolle, digitale Hörgeräte kosten heute bis zu 7.000 Mark. Jetzt soll es von der Krankenkasse nur noch rund 1.420 statt bisher etwa 2.030 Mark für eine beidohrige Versorgung geben. Das Argument der Spitzenverbände der Bremer Krankenkassen, die den neuen Zuschuß abgesegnet haben: „Die Technik ist besser und damit preisgünstiger geworden“, sagt Dieter Volkmann vom Verband der Ersatzkassen in Bremen. Man habe die Festbeträge eben den neuen technischen Standards angepaßt. So schreibe es der Gesetzgeber seit der Gesundheitsreform von 1989 in regelmäßigen Abständen vor.
Doch von billigeren Geräten will Akustikerin Krause nichts wissen. „Das ist Quatsch. Die Chips in den Geräten sind nach wie vor teuer. Bei dieser Sache geht es um etwas anderes: Die Krankenkassen versuchen eben, bei jeder Gelegenheit zu sparen.“
Hauptaufreger in Bremen ist vor allem, daß andere Bundesländer weitaus besser dastehen. Denn die Festlegung der Beträge ist Ländersache: Im Saarland oder in Niedersachsen wurden sie gar um 20 Prozent erhöht. „Nur weil die Kassen dort Fehler bei der Einstufung gemacht haben, müssen wir sie hier ja nicht wiederholen“, sagt dazu Dieter Volkmann von den Ersatzkassen. Aber Heidrun Krause, die außerdem im Bundesvorstand der Akustikerinnung sitzt, weiß: „Die anderen Bundesländern werden bald nachziehen, weil die Krankenkassenverbände von oben Druck ausüben.“
Ein Spardruck, der vor allem bei finanziell schwachen Menschen ordentlich auf das Portemonnaie drücken wird. Zwar ist im Schnitt nur alle fünf Jahre ein neues Hörgerät fällig. Aber selbst dann könnten Zuzahlungen von einigen tausend Mark schwer fallen: Das Sozialamt unterstützt solche Härtefällen nicht, weiß die Bremer Akustikerin aus der Sögestraße. „Das ist den Leuten aus Schwachhausen völlig wurscht. Aber wenn zu mir jemand aus Tenever kommt, dann weiß ich: Der kann nicht einen Pfennig zuzahlen.“Auch Familien mit gehörlosen Kindern würden es schwerer haben: Diese Kunden brauchen feinste Geräte, um lesen und schreiben zu lernen. Bei schwankender Hörstärke müssen ihre Hörhilfen öfter angepaßt werden. kat
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen