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„Sezessionisten“ für Mahnmale auf Zeit

Morgen findet das abschließende Kolloquium zum Denkmal für die ermordeten Juden statt. Der Eklat ist vorprogrammiert, denn fast alle Experten lehnen die Pläne der Auslober ab  ■ Aus Berlin Anita Kugler

Sie nennen sich „Sezessionisten“, aber spalten wollen sie nicht. Im Gegenteil, sie haben einen eigenen Gesprächskreis gegründet, damit nicht passiert, was alle erwarten: ein spektakuläres und vor allem perspektivloses Scheitern des Kolloquiums über das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Morgen findet im Berlin die dritte und abschließende Sitzung mit den etwa 70 Sachverständigen statt, und es gibt nicht die geringsten Anzeichen, daß die Auslober – Bund, Land, Förderkreis – diesmal gewillt sind, ernst zu nehmen, was die Experten auf jeder Sitzung vehement kritisierten: nämlich den Ort und die Wettbewerbsergebnisse. Also alles.

Selbst den Auszug von drei Sachverständigen auf der letzten Sitzung hatten die Auslober nur achselzuckend zur Kenntnis genommen. Dabei war einer von ihnen der Architekt Salomon Korn, wohl der profilierteste Vertreter derjenigen, die das Denkmal nicht auf dem Gelände der ehemaligen Reichskanzlei sehen wollen, sondern in der Nähe des Reichstags. Sein Auszug aus dem Kolloquium hatte Folgen. Inzwischen hat ihm Ignatz Bubis, der für eine baldige Grundsteinlegung auf dem umstrittenen Ort eintritt, das Mandat entzogen, im Namen des Zentralrats der Juden in Deutschland über Denkmalsfragen zu sprechen.

„Wer rausgeht, muß wieder reinkommen“, zitieren hingegen die „Sezessionisten“ den Machtpolitiker Herbert Wehner. Sie teilen die Kritik von Korn, ziehen aber andere Konsequenzen. Sie wollen Alternativen anbieten. Sie, das sind 21 Intellektuelle, alle seit Jahren im Berliner Denkmalstreit involviert. Dazu gehören unter anderen der Architekt Bruno Flierl, der Leiter des Hauses der Wannseekonferenz, Norbert Kampe, die Kunstwissenschaftler Ernst Mittig und Jochen Spielmann, die Denkmalschützerin Gabi Dolff-Bonekämper, das Jurymitglied Stefanie Endlich, der SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Conradi.

Sie schlagen vor, das Kolloquium nicht als das Ende der Mahnmal-Diskussion zu begreifen, sondern als Beginn eines neuen Anfangs. Dazu müsse ein organisatorischer Rahmen geschaffen werden, eine „Mahnmal- Stiftung“, in der die Auslober beteiligt sein müssen. Den entsprechenden Gesetzentwurf will Peter Conradi demnächst in den Bundestag einbringen. Sie sind überzeugt, daß der Wettbewerb scheitern mußte, weil schon der Auslobungstext der falsche war. Deshalb müsse ein neuer Text gefunden werden. Schriftsteller, Professoren, aber auch Schüler sollten in wenigen Sätzen aufschreiben, welche Gefühle solch ein Mahnmal überhaupt ansprechen muß: Trauer über die Opfer oder das Nachdenken über die Tat?

Die meisten der „Sezessionisten“ legen großen Wert darauf, daß sie nicht in die Nähe derjenigen gerückt werden, die überhaupt kein „künstliches“ Denkmal wollen. „Wir brauchen es“, sagt Gabi Dolff-Bonekämper, „nur eben nicht so eines, wie es die Auslober dekretieren wollen.“ Bis ein „gesellschaftlicher Konsens“ für ein zentrales Mahnmal gefunden beziehungsweise errichtet ist, plädieren sie für „Denkmale auf Zeit“. Provisorische Denkmale nahe dem Reichstag, jeweils errichtet am 27. Januar und nur für ein Jahr – wechselnde Installationen, deren Abrißdatum schon bei der Errichtung feststeht. Denkmale, die daher nichts „zudeckeln“, sondern „die Auseinandersetzung offen lassen“, wie es Jochen Spielmann formulierte.

Daß die Auslober bereit sind, solche Vorschläge überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, ist eher unwahrscheinlich. Der Eklat morgen ist schon vorprogrammiert, die Steilvorlage dazu formulierte der Berliner Kultursenator Peter Radunski den Sachverständigen höchst persönlich. In seiner Einladung vom 2. April faßte er die Ergebnisse der letzten Sitzung, in der fast alle Teilnehmer gegen den geplanten Standort redeten, so zusammen: „Die Auslober sind nach Durchsicht der Auswertung [des Diskussionsprotokolls, die Red.] der Ansicht, daß die Standortprämisse – Ministergärten –, mit der sie in die Kolloquien gegangen sind, sich bewährt hat.“

Und wenn dies nicht reichen sollte, die Experten wütend zu machen, dann gibt es immer noch die Tagesordnung. Knapp zwei Stunden der Diskussionszeit sind schon vergeben: Lea Rosh und der amerikanische Denkmalexperte James Young werden Grundsätzliches zur Ikonographie von solchen Denkmalen zu bedenken geben.

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