Portrait: Eine Herzenslinke will nach ganz oben
■ Anna Bruns
Sie ist 59 Jahre alt, Soziologin von der Ausbildung her und vielleicht schon am Wochenende die Spitzenkandidatin der Grün-Alternativen Liste Hamburgs bei den Bürgerschaftswahlen im September dieses Jahres: Anna Bruns, renommierte Sozialpolitikerin ihrer Partei und Mitglied der Bürgerschaft. Seit 1982 gehört sie der GAL an. Zunächst wurde sie von ihren Parteifreunden mit einer Mischung aus Neugier, Abwehr und Mißtrauen beäugt. Die einstige Porschefahrerin und Mutter von sechs Töchtern war damals noch mit einem der wohlhabendsten Hamburger Kaufleute verheiratet und wohnte dementsprechend in einem hanseatischen Villenvorort.
Fehlender Stallgeruch hinderte sie nicht daran, sich kommunalpolitisch zu profilieren: Wie es sich für eine Blankeneser Großbürgersgattin gehört, vor allem in Fragen der Armutspolitik. Ihr Engagement gilt als ehrlich und frei von machtgieriger Taktik. Anna Bruns ist immer noch eine Herzenslinke, ihre politische Sozialisation speiste sich zum geringsten Teil aus der Lektüre von Grundsatzschriften und Strategie-Elaboraten. Willy Brandt war für sie und ihre Generation ein Politiker, der jede Unterstützung verdient hatte, „der stand für ein anderes Deutschland“.
Sie, die 30 Kilometer von Dachau entfernt in Pfaffenhofen geboren wurde, war schon als Kind angewidert von der Art, wie Erwachsene über die Zeit des Nationalsozialismus hinweggingen, „nicht sehen und nicht sprechen wollten“. Diese Mentalität habe sich mittlerweile geändert, „nicht zuletzt durch unsere Mühen“.
Daß sie am Wochenende überhaupt für den Spitzenposten kandidiert, entspringt ihrem Bewußtsein, alles in Frage zu stellen, was wieder mit Dünkel und – im Falle der GAL: alternativen – Muff zu tun hat. Eigentlich wurde von Parteilinken wie ihr erwartet, Krista Sager den prominenten Platz zu überlassen. Als die Reala „mit den Feldwebelinnenmanieren“ (so ein GAL-Bürgerschaftsabgeordneter) schon bei der Ankündigung einer Gegenkandidatin beleidigt reagierte, war für Anna Bruns klar: Jetzt setzt sie ihr Profil erst recht der One-Woman-Show Sagers entgegen.
Der SPD warf sie in den siebziger Jahren vor, „verkrustet, zynisch und nur noch machtbesessen“ zu sein. Vor der gleichen Entwicklung will sie ihre Partei bewahren – eine Herzensangelegenheit auch in eigener Sache. JaF
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