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Überflüssiges Manöver

■ Die Union will Gesetz zum Abstand Sozialhilfe–Lohn

Die Inszenierung ist, wenn es um Sozialhilfe geht, fast immer gleich. Ein Unionshinterbänkler schürt in einer Boulevardzeitung Ressentiments gegen Sozialhilfeempfänger. Wenige Wochen später sickern erste ministerielle Arbeitsergebnisse durch. Nun also plant Gesundheitsminister Horst Seehofer, was bislang lediglich ein Gebot ist: Der Abstand der Sozialhilfe zu den Durchschnittseinkommen der untersten Lohngruppen soll gesetzlich festgeschrieben werden – 15 Prozent lautet die Mindesttrennungsmarge.

Abstandsgebote wie diese sind integraler Bestandteil der Arbeitsgesellschaft. Ohne sie würde sich für viele die Anstrengung kaum lohnen. 15 Prozent sollen also jener Stimulator sein, der Mann oder Frau mit Minimaleinkommen allmorgendlich aus dem Bett und zur Arbeit treibt. Ansonsten könnten sie auch liegenbleiben. Die Abstandsgebote sind zugleich ein Mittel, die besserverdienenden Erwerbstätigen bei Laune zu halten. Schließlich sind sie es, die über Steuern das Sozialsystem mitfinanzieren und damit murrend zur Solidarität verpflichtet werden.

Angesichts der Dauerdebatte über Mißbrauch hätte ein gesetzliches Abstandsgebot sogar etwas Gutes: Es würde jenen Vorurteilen den Boden entziehen, die Stützeempfänger seien sozialstaatliche Kostgänger. Aber um massenpsychologische Motive mag es bei den Überlegungen im Hause Seehofer wohl kaum gehen. Auch wenn es eifrig bestritten wird: Ein gesetzlicher Mindestabstand ist zuallererst ein Mittel der Haushaltsführung. Ohne Kürzungen der Regelsätze wird es auf Dauer nicht gehen. Noch druckst die Union herum, aber die Antwort hat sie selbst mit ihrer Verschiebetaktik nahegelegt: Aus politischen Gründen soll das Gesetz nach der Bundestagswahl 1998 in Kraft treten. Betroffen wäre vor allem eine Gruppe: Familien. Derzeit bekommt ein auf Sozialhilfe angewiesenes Ehepaar mit zwei Kindern rund 12 Prozent weniger als eine Familie mit geringem Arbeitseinkommen. Ein alleinstehender Stützeempfänger ist schon 56 Prozent vom niedrigsten Durchschnittslohn entfernt. Was also soll da noch eine gesetzliche Festschreibung? Die Inszenierung mit dem Titel „Sozialhilfe“ mag fast immer gleich sein. Diesmal aber wird sie mit prononcierter Demagogie noch aufgepeppt. Severin Weiland

Bericht Seite 4

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