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„Solange die nur den Verkehr regeln, können sie dableiben“

■ Interview mit Dakan Bey, Anführer einer Gruppe von „Rebellen“ in Vlorä, zum Einsatz der Friedenstruppe

taz: Die Friedenstruppe soll nicht nur humanitäre Hilfe leisten, sondern auch Gruppen wie der Ihren das Mordgerät wieder abnehmen.

Dakan Bey: Sollen sie ruhig versuchen.

Soll heißen, daß ihr die Waffen nicht herausrücken wollt?

Wie kämen wir dazu?

Aber es gibt ein Mandat des UN-Sicherheitsrates, das die internationale Truppe dazu ermächtigt...

Der UNO-Generalsekretär soll selber herkommen und uns erklären, warum wir die Waffen abgeben sollen, der Gangster an der Staatsspitze aber weiterregieren darf.

Italien, das die Friedenstruppe anführt, geht davon aus, daß Gruppen wie die Ihre weniger aus „Rebellen“ bestehen denn aus Kriminellen, die sich am Chaos bereichern.

Das ist gut. Die Gangster in unserer Regierung und in der Wirtschaft haben Hunderttausenden durch Finanzmanipulationen ihre Ersparnisse geklaut, und jetzt sind wir die Kriminellen, weil wir diese Schweine davonjagen wollen.

Es gibt aber doch keinen Zweifel, daß Gruppen wie Ihre große Beträge eingesteckt haben, um Flüchtlinge aus dem Chaos, das Sie auch mitprovoziert haben, nach Italien rüberzubringen.

Na und? Wenn die Leute rüberwollen, kostet das was. Sicher, 600 Dollar (etwa 1.000 Mark) sind viel Geld für manchen. Aber auf kaum ein Schiff passen mehr als hundert Leute drauf, also kriegt man maximal 60.000 Dollar zusammen. Das Schiff aber kann man nur ein einziges Mal benutzen, denn es wird drüben sofort beschlagnahmt. Wir verdienen daran nichts.

Reichlich absurd, das Ganze.

Alles ist hier absurd. Aber gerade deshalb geben wir unsere Waffen nicht her. Sie sind unsere einzige Überlebensgarantie. Sind wir erst mal entwaffnet, wird die Berisha-Regierung die famose internationale Hilfstruppe wieder fortschicken und uns alle an die Wand stellen.

Italien verspricht, auch später nach dem Rechten zu sehen. Carabinieri sollen eure Polizei ausbilden, Berater die Infrastrukturen verbessern.

Da lachen ja die Hühner. Wie wollen die denn das machen? Die albanische Polizei und die Truppen, die noch immer zum Präsidenten stehen, sind derzeit an die 30-40.000 Mann stark, zwar nicht optimal ausgerüstet, aber immerhin bewaffnet, besser als wir. Aber sie trauen sich nicht an uns ran, weil sie unsere Entschlossenheit kennen. Wie sollen das die paar tausend Ausländer schaffen? Die müssen schon das ganze Land besetzen, und dann reichen fünfzigtausend wie in Bosnien nicht aus. Zumindest die Italiener werden schnell die Lust verlieren, wenn wir ihnen erst mal ein paar Schuß vor den Bug knallen.

Soll das eine Drohung sein?

Nein, eine schlichte Ankündigung. Solange die nur den Verkehr regeln, können sie dableiben. Sobald sie sich aber an unsere Waffen ranmachen oder an unsere Frauen, knallt's.

Also weiterhin Chaos, Bandenkriege und damit wirtschaftlicher Niedergang.

Nein. Wir müssen hier selbst Ordnung schaffen, eine eigene Polizei aufstellen, die nicht von Tirana abhängt – zumindest nicht, solange diese Leute dort herrschen – und schon gar nicht vom Ausland.

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