■ Vorschlag: „Davon wird ma bleed“ Hans Söllner im Tränenpalast
Der bayrische Rastafarian Hans Söllner ist Volksmusiker. Ihn deswegen Phänomen zu nennen, ist zu einfach. Und fatal. Denn Hans Söllner will nichts anderes als Hans Söllner sein. Seit gut 17 Jahren sagt und singt der Bauarbeitersohn aus Weißbach bei Reichenhall zur Gitarre, was er denkt und fühlt. Und das ziemlich deutlich, witzig, ernst und bayrisch. Diesem ungehobelten Charme dürften sich nicht einmal die Zivilpolizisten entziehen können, die jedes seiner Konzerte observieren. „Aba olle samme Wixa“ heißt Söllners heimlicher Hit, in dem er sich mit Heiner Geißler solidarisch erklärte, nachdem dieser ihn verklagt hatte. Denn Geißlers Behauptung, daß der Pazifismus der zwanziger Jahre zum Faschismus geführt habe, kommt für den Pazifisten und friedliebenden Kiffer nun mal vom „geistigen Onanieren, und davon wird ma bleed“.
Längst sind Söllners Lieder fester Bestandteil jeder halbwegs revolutionären Jugend zwischen Ulm und Gröbenzell. Und seine letzte Platte „Grea, Goib, Roud“ wurde gar mit Johnny Cash verglichen. Allein über Mundpropaganda verkaufte sie sich 100.000mal. Söllners schwer verständliche Folklore kommt aus dem Bauch, wo die gesunde Wut brodelt.
Heute abend wird Söllner von seinen zwei Söhnen, Kiffen, Bayern, Freiheit und dem Sterben singen. Wird Stoiber und Konsorten „Orschlächer“ heißen, und als eine seiner legendären Underdog- Anekdoten wird er vielleicht erzählen, wie er barfuß beim Reichenhaller Mercedes-Händler sein 100.000-Mark-Cabriolet kaufte. Und wenn „d' Sunn aufgeht“ und die Berliner Republik wieder durch die Friedrichstraße dröhnt, werden Prenzelberger Exilbayern mit ihren Wurzeln versöhnt sein, und Hauptstädter werden ihre Klischeevorstellungen von Bayern überdenken. Aber der Skandalbarde wird es eilig haben, zurück ans andere Ende der Republik zu kommen. Damit er wieder „sei Ruah“ hat. Ania Mauruschat
20 Uhr im Tränenpalast, Reichstagufer 17, Mitte
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