: Umsonst ist nur der Tanz im Tiergarten
■ Den großen Reibach bei der Love Parade machen die fünf Organisatoren
Sie wissen, was sich gehört: Man komme spontan zusammen und springe wieder auseinander. So sei das nun einmal bei einer Demonstration, sagt Peter Lützenkirchen, Pressesprecher der Love Parade. Deswegen und weil man noch „in Verhandlungen“ stehe, äußere man sich vorerst gar nicht. Dann allerdings – und so ist das bei anderen Demonstrationen nicht – werde man mit einem ausführlichen Konzept an die Öffentlichkeit gehen. Fest steht jedenfalls, daß am 12. Juli eine Million Raver durch den Tiergarten zucken werden. Die Love Parade wurde wieder als politische Demonstration auf der Straße des 17. Juni angemeldet und als solche bestätigt. Das Motto mutet angesichts des wenig umweltverträglichen Auftretens der Demonstranten eher zynisch an: „Save our Planet“.
Zu verdanken haben die Veranstalter die erneute Anerkennung als politische Demonstration maßgeblich dem Innensenator. Anders als sein Vorgänger Dieter Heckelmann ist Jörg Schönbohm (CDU) ein echter Freund der Raver: Gegenüber dem positiven Effekt für Berlins Image sei die Frage, ob die Veranstaltung politisch sei, zweitrangig, sagte er im vergangenen Jahr der taz. Trotzdem hat man sich diesmal im Senat darauf verständigt, sich an den Kosten für die Müllbeseitigung zu beteiligen. Über die Höhe – der umweltpolitische Sprecher der CDU, Uwe Goetze, spricht von 200.000 Mark – will man von Seiten der Innenverwaltung keine Angaben machen. Der Tiergartener Baustadtrat Horst Porath (SPD) ist mit dieser Entscheidung nicht glücklich. „Wir brauchen die zerstörten Hecken doch gar nicht zu ersetzen, wenn die da wieder durchrennen.“ Auch die 26.000 Mark, die die Love-Parade-Macher 1996 für ein zerstörtes Klettergerüst spendeten, versöhnen ihn nicht.
Die Spende ist angesichts dessen, was bei dem Liebestaumel verdient wird, eher niedlich: Über 100 Millionen Mark ließen die 750.000 Raver nach Angaben von Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (SPD) 1996 in der Stadt, die Veranstalter gehen von 200 Millionen aus. Dazu kommt eine immense Imagepflege: „Berlin müßte zweistellige Millionensummen für Werbemaßnahmen einsetzen, um einen ähnlichen Aufmerksamkeitsgrad zu erreichen“, so Hanns- Peter Nerger von der Tourismus Marketing Gesellschaft.
Den eigentlichen Reibach aber machen die fünf Freunde hinter der Love Parade und ihr filigranes Organisationskonstrukt. Zum ersten DJ Dr. Motte alias Matthias Roeingh, Erfinder und Aushängeschild der Love Parade, der 1996 erstmals zu seinen Jüngern sprach. Zweitens Ralf Regitz, „Kopf der Parade“ und Geschäftsführer von planetcom, dem offiziellen Veranstalter. Regitz verfügt außerdem über einen Beratervertrag bei Camel, ist Betreiber des E-Werks sowie Teilhaber bei der Love Parade GmbH und der Mayday GmbH. Letztere ist ein Berliner Techno-Event-Veranstalter, der eng mit der Love Parade verknüpft ist. Die Love Parade GmbH wiederum hat sich im vergangenen Jahr das Label „Love Parade“ weltweit schützen lassen und verdient seitdem an jeder Mütze mit. Dritter im Bunde ist Jürgen Laarmann, Macher des Techno-Blattes Frontpage, Teilhaber bei der Love Parade GmbH und nach Angaben der Berliner Zeitung ebenfalls „mit einem millionenschweren Beratervertrag“ bei Camel ausgestattet. Außerdem ist Laarmann – selbstredend gemeinsam mit Dr. Motte und Regitz – im Vorstand des „Vereins der Freunde und Förderer der Love Parade“. Der wurde im vergangenen Jahr gegründet – angeblich, um das Spektakel weiterhin von Sponsoren unabhängig zu halten. Seitdem kann man bei der Love Parade auch „Love-Botschafter“ werden. Als letzte im Bunde gehören als Gesellschafter der Love Parade GmbH die Leute vom Techno-Label „Low Spirit“ dazu.
Über ihre Einnahmen schweigen sich die Familienoberhäupter aus. Nur zu den Ausgaben äußerte sich 1996 planetcom: 500.000 Mark soll die Organisation der Parade geschluckt haben. Demgegenüber verlautet aber aus dem Umfeld der Macher, daß allein die drei Hauptsponsoren Camel, Langnese und MTV insgesamt eine halbe Million auf den Tisch gelegt haben. Tobias Drewling, Marketingleiter des MTV Network Central Europe, bestätigte, man habe sich die Teilnahme an „einer der größten Parties der Welt natürlich richtig was kosten lassen“. Die Sponsoren genossen Exklusivität: Die Truckbesitzer (ein Platz im Treck: 3.000 Mark) verpflichteten sich, „Hinweise auf Sponsoren aus den Bereichen Zigaretten, Tabak, Eiskrem sowie Musikfernsehen zu unterlassen.
Fest steht auch, daß Laarmann 1996 schon drei Stunden vor Partybeginn einen großen Auftritt hatte – vor 50 Marketingprofis, die er zum Brunch geladen hatte. Das deutsche Raverpotential wird auf drei bis vier Millionen geschätzt. Kaufkraft: mehrere Milliarden Mark. Und umsonst ist schließlich nur der Tanz im Tiergarten: Für rund eine halbe Million wurden bereits im Vorverkauf Tickets für die großen Parties – eine davon im Regitz-eigenen E-Werk – verkauft. Insgesamt dürfen bei den über 40 Parties mit Eintrittsgeldern von bis zu 50 Mark mehrere Millionen verdient worden sein.
Da wird es nur ein Wermutstropfen sein, daß die ersten schon abspringen. So will Greenpeace in diesem Jahr keinen Wagen in die Love Parade einreihen. Das Engagement vom vergangenen Jahr habe sich als nicht sinnvoll erwiesen, sagt Rainer Hagendorf von Greenpeace Berlin. „Es hat sich herausgestellt, daß sich die Leute nicht mit dem Umweltschutz auseinandersetzen, sondern tanzen wollen.“ Auch die Macher des Stadtmagazins [030] stehen nicht länger als Medienpartner zur Verfügung. Die Love Parade sei zu einem „Mainstream-Event“ mit „gewöhnlichem Straßenpublikum“ verkommen, heißt es in einem offenen Brief in der jüngsten Ausgabe. [030]-Chef Olaf Alp kritisiert außerdem die mangelnde Verhandlungsbereitschaft der Veranstalter. Als Alternativroute schlägt er nach einer Auftaktveranstaltung am Ernst-Reuter- Platz eine Art Sternmarsch mit drei Routen vor: über den Kurfürstendamm, die Straße des 17. Juni und durch die Bismarckstraße. Jeannette Goddar
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen